Grüße aus Venedig

Annett Renneberg und Klenke Quartett machten aus dem Palais im Großen Garten einen Palazzo

Das Palais im Großen Garten gehört zu den schönsten und beliebtesten Orten der Dresdner Musikfestspiele. Die verblichene und beschädigte barocke Pracht enthält mit einem kleinen Stück nachempfundener Inneneinrichtung links über der Bühne einen Ausblick oder Hoffnungsschimmer, wie es irgendwann einmal wieder aussehen könnte. Die Fenster zum Park und das Spiel mit den Sichtachsen, Wetter mit Wolken und Sonne inclusive, können allein schon eine Märchenstimmung herausbeschwören. Oder einen fremdem Ort, wie einen venezianischen Palazzo.

»Und immer wieder Venedig« hieß es am Sonnabend zu einem Konzert mit Lesung oder einer musikalischen Lesung. Was dabei wichtiger war, Musik oder Literatur, schien zuvor nicht eindeutig, obwohl letztlich wohl die Autorin Donna Leon (ohne mitzuwirken) für viele einen Ausschlag gegeben haben dürfte. Rezitatorin Annett Renneberg, wiewohl als Schauspielerin auch in anderen Rollen zu erleben, ist den meisten aus den Krimiverfilmungen um den Commissario Brunetti bekannt, wo sie die Signorina Elettra Zorzi spielte.

Immer heiter: Annett Renneberg, Photo: Dresdner Musikfestspiel, © Stephan Floss

Und ohne diese Rolle ging es im Palais bzw. Palazzo nicht, denn zu den italienbezogenen Texten, die Annett Renneberg las, gehörten natürlich Passagen aus Donna Leons Büchern. Es schien ein wenig, als wäre die Schauspielerin in ihre damalige Rolle zurückgeschlüpft, denn sie kommentierte die Szenen nicht nur in der Art der Signorina Elettra, sondern hielt noch ein paar Anekdoten über die Dreharbeiten bereit. Diese haben anfangs in den Wintermonaten stattgefunden. Da es nach Sommer aussehen sollte, mußte Elettra im hauchdünnen Kleid am Schreibtisch sitzen, während das Filmteam um sie dick eingemummt war. Szene gedreht, alles schien perfekt – Licht, Dialog, Geste, da schrie der Regisseur »S… man sieht Deinen Atemhauch!« Winter kann auch in Venedig kalt sein …

Nicht kalt, sondern herzlich warm und herzerfrischend wurde es, weil Annett Renneberg in die übrigen Texte ebenso behend fand wie in ihre Serienrolle. So schienen selbst Thomas Mann (»Der Tod in Venedig«) und Johann Wolfgang von Goethe (»Italienische Reise«) nicht »gestelzt« (trotz des noch anhängenden Dativ-e bei «dem Orte« oder »dem Blatte«). Bei Ulrich Tukurs Ausschnitt aus »Die Seerose im Speisesaal« – sicher der gewitzteste Text – gelang es Annett Renneberg gar, in den Worten »Was – für – ein – Aufenthalt«, gedehnt und mit kleinen Pausen versehen, eine originale Tukur-Diktion vorzulegen.

So konnte sich auch amüsieren, wer (wie der Rezensent) noch nie eine Folge von Commissario Brunetti gesehen hat (aber ich habe alle Folgen für die Tante mitgeschnitten!). Musikalische Anklänge gab es bereits in den Lesungen, wenn zum Beispiel San Marco erwähnt wurde, ein Ort, der so zwingend mit Namen wie Giovanni Gabrieli oder Claudio Monteverdi verbunden ist.

Leider nur in Ausschnitten: das Klenke Quartett spielte italienische Musik, wobei sich besonders Maddalena Laura Lombardini Sirmen als Entdeckung erwies, Photo: Dresdner Musikfestspiel, © Stephan Floss

Von diesen beiden gab es zwar keine Musik aber von Maddalena Laura Lombardini Sirmen, einer echten Venezianerin. Das Klenke Quartett (Annegret Klenke und Beate Hartmann / Violinen, Yvonne Uhlemann / Viola und Ruth Kaltenhäuser / Violoncello) steht seit 1994 für gediegene Kammermusikkultur und brachte mit dem zweiten Streichquartett (B-Dur) ein gewitztes Stück mit, das seine Zeitgenossenschaft mit Mozart und vor allem Haydn kaum verbergen konnte. Denn Witz hatte das Quartett reichlich, auch beeindruckte es mit phantasievoller Stimmführung.

In Hugo Wolfs »Italienischer Serenade« schienen die Stimmen manchmal um einiges emotionaler (Viola), während sie bei Giuseppe Verdi (Streichquartett e-Moll) keineswegs weniger emotional, aber verspielter oder opernhafter wirkten. Nach den Lesungen war man ohnehin geneigt, Personen, etwa die einer Familie, in den Quartettstimmen zu entdecken. Diskutierten da nicht die Kinder (zweite Violine und Viola) mit dem Baß des Vaters (Cello)? Nein! Das Violoncello, wurde nach den Texten klar, war natürlich die Mutter und die erste Violine der Vater. (Oder etwa nicht?)

Zwischen Lesung, Anekdoten und italienischer Musik: das Klenke Quartett und Annett Renneberg, Photo: Dresdner Musikfestspiel, © Stephan Floss

Daß die Quartettsätze jeweils à deux gespielt wurden und nicht ganz vereinzelt, wie ursprünglich geplant, machte die musikalische Entdeckungsreise ebenso vergnüglich wie die literarische. Obwohl Venedig nicht immer »gut« wegkam, zumindest Franz Grillparzer hat es in seinen Reisetagebüchern auch mit sarkastischen Kommentaren versehen. Da fiel Rose Ausländers »Mein Venedig« versöhnlicher aus.

25. Mai 2025, Wolfram Quellmalz

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