Grade der Anmut

Liederabend mit Lea Desandre und Thomas Dunford im Palais im Großen Garten Dresden

Die Liebe ist in allen Zeiten gegenwärtig – in der Antike, dem Barock, der Gegenwart. Also läßt sie sich auch barock, romantisch oder in Chansons musikalisch geschlossen umranken, meinten Lea Desandre und Thomas Dunford, und präsentierten am vergangenen Mittwochabend im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele ihr Programm »Idylle« im Palais im Großen Garten, das durch die Jahrhunderte streift. Die Liebe läßt sich sicher in vielen Farben darstellen, leidenschaftlichen vor allem, doch dieser war für einmal nicht der erste Rang gewährt. Vielmehr beschrieb das Programm eine zarte, himmlische Liebe, schon wegen Thomas Dunfords Begleitinstrument, der Laute – so leicht perlt kein Cembalo, so sanft streichelnd, kosend klingt wohl kein anderes Instrument! Mit dem flexiblen Mezzosopran von Lea Desandre verband sie sich zu einem idyllischen Liebesreigen.

Idyllisch: Lea Desandre und Thomas Dunford im Palais im Großen Garten Dresden, Photo: Dresdner Musikfestspiele, © Oliver Killig

Solche Programmschwerpunkte gab es gerade bei den Musikfestspielen und an diesem Ort schon öfter, doch selten gelangen sie so überzeugend, authentisch und berührend! Wohl liegt ein Teil dieses himmlischen, dieses »céleste« in der Sprache, denn Lea Desandre und Thomas Dunford hatten ausdrücklich französische Lieder ausgewählt. Schon der Beginn, Honoré d’Ambruys‘ »Le doux silence de nos bois«, wirkte wie eine Erzählung (»Schäferin, du Sehnsucht meines Herzens, siehe den schönen Monat der Blumen […] Es ist die Zeit für zarte Liebe und Freuden«) über den Reigen seliger Geister. Dabei ließ sich kaum feststellen, was die größeren Entdeckungen waren: die französischen Dichter oder die Komponisten? Reynaldo Hahn fügte mit »Néère« aus den »Études latines« einen Hauch romantischer Schwere und Tiefe der Empfindung hinzu – sein Held erfährt eine die Seele zerreißende Liebe durch thebanische Jungfrau, Néère und Venus. Nach dem »Sprung« von d’Ambruys zu Hahn über zweihundert Jahre fügten Lea Desandre und Thomas Dunford sogleich noch das um eigene (Dunford) Textpassagen erweiterte Chanson »Le temps de l’amour« von Françoise Hardy an – sinniger, sinnlicher ist es kaum möglich. Denn so wie Thomas Dunford, der hier kurz im Duett mitsang, die Saiten seiner Laute vibrieren ließ, daß sie an eine Gitarre erinnerten, fügte Lea Desandre ihrem Mezzo samtene, dunklere, leicht rauhere Farben hinzu.

Allein auf den himmlischen Reigen wollte sich das Duo aber nicht verlassen, denn manchen der Lieder, nicht nur den Chansons, wohnte ein recht frecher Spott inne. Und in einigen war dieser Frohsinn ein Weg, die Liebe nicht zu ernst zu nehmen, ihrem Leiden zu entkommen, wie bei Marc-Antoine Charpentier, der – immer schneller, rasender werdend – von »Celle qui fait tout mon tourment« (Die, die all mein Leid verursacht), »Auprès du feu l’on fait l’amour« (Am Feuer wird Liebe gemacht) und »Tristes déserts, sombre retraite« (Traurige Wüsten, dunkle Zuflucht) berichtete, dem Leben, der Liebe zugewandt blieb. Thomas Dunford ließ die Renaissancestücke mit einer postludierendem Improvisation ausklingen.

Lea Desandre und Thomas Dunford im Palais im Großen Garten Dresden, Photo: Dresdner Musikfestspiele, © Oliver Killig

Die Laute allein war nicht weniger eine fabelhafte Sängerin. Das zeigten zwei Instrumentaltitel von Erik Satie: die Gnossienne Nr. 1 und später Gymnopédie Nr. 1 entwickelten geradezu zauberische Kräfte, dabei ist der Tonumfang der Laute viel geringer als der des originalen Klaviers (aber vielleicht verstärkte gerade das das Gefühl, sanft eingesponnen zu werden).

André Messager, ursprünglich Kirchenmusiker und eine Zeitlang sogar Schüler von Camille Saint-Saëns, wechselte im Verlauf das Fach, schrieb Operetten und Vaudeville. Sein »J’ai deux amants« (Ich habe zwei Geliebte, das ist viel besser so!) aus der Oper »L’amour masqué«, wiewohl es nur annähernd das Verwirrspiel des ganzen Stückes wiedergibt, war ein Beispiel, wie die Liebe manchmal ausgenutzt wird, allerdings unter pragmatischen, nicht moralischen Gesichtspunkten.

Witz und Leidenschaft hatten sich in die himmlischen Gefilde geschlichen, den zarten Tönen fügten Lea Desandre und Thomas Dunford mit Humor leuchtendes Kolorit hinzu, kein Leid also, keine übermäßige Klage, auch nicht bei »Ma bergère est tendre et fidèle« (Meine Schäferin ist zart und treu, aber leider ist ihre Liebe nicht so groß wie meine) von Michel Lambert. Mit Reynaldo Hahn sorgte das Duo dennoch für Beruhigung – »À Chloris« gehört zu den bekanntesten Stücken des Komponisten, nur leider in einer Instrumentalbearbeitung! Um so schöner, daß das Lied hier einmal original und voller Hingabe zu hören war.

Bis zu Opern (Debussy »Pelléas et Mélisande«) reichte das Programm, in das Thomas Dunford das Publikum auch einmal als summenden Continuo-Chor einband. Es blieb letztlich beim idyllischen Charakter – himmlisch und voller Blumen statt feuriger Leidenschaft, aber in jedem Fall berührend, zum Nachhören.

12. Juni 2025, Wolfram Quellmalz

Lea Desandre & Thomas Dunford »Idylle«, mit Werken von Honoré d’Ambruys, Reynaldo Hahn, Marc-Antoine Charpentier, Andre Messager, Barbara und anderen, erschienen bei Erato

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