Grundlagen für die Schulvermittlung im Marcolini-Palais
Für drei der Solistinnen am Dienstagabend im Marcolini-Palais Dresden- Friedrichstadt ging es um noch etwas mehr als eine Konzertpräsentation, denn für sie war es eine Abschlußprüfung. Pauline Reinheckel, Annegret Bayermann und Charlotte Claudia Schwämmlein studieren an der Musikhochschule Blockflöte im Studiengang Lehramt, was bedeutet, daß sie »nebenher« noch ein zweites Lehrfach an der TU Dresden belegen. Eigentlich wollen sie also Lehrerinnen für Musik und … werden, doch sind die Ansprüche dabei keineswegs gering, wie man regelmäßig mit den Lehramts-Klassen bis hin zu Opernproduktionen erleben kann. Und so standen am Dienstag keine Schullieder oder einfache Ensembles auf dem Programm, sondern mannigfaltige Musik von der Renaissance bis zur Gegenwart, die Flötenstimmen reichten vom Sopran bis zum Subbaß und schlossen sogar Sonderbauformen wie eine Paetzold-Flöte ein.
Den Auftakt gestalteten die Studentinnen im Consort, wobei sie von Prof. Uta Schmidt, einer ihrer Dozentinnen, sowie Christiane Buck, die bereits in den Beruf gewechselt ist, unterstützt wurden. Daß sich auch künftige Musiklehrer auf der Flöte durchaus nicht nur auf gängiges und bekanntes Repertoire wie von Georg Philipp Telemann beschränken, sondern bei ihm und bei anderen Entdeckungen machen, war bereits aus früheren Auftritten der Flötenklasse bekannt. Diesmal gelang das Programm vielleicht noch ein wenig vielfältiger, ja extravaganter.
»Mr George Whitehead’s almain« und »Captain Digorie piper’s galliard« von John Dowland gaben sich unmißverständlich als Tanzsätze zu erkennen, die aber liedhafte Elemente (mit der Blockflöte als Singstimme) enthielten. Pauline Reinheckel übernahm dabei im Consort die Leitung – korrekte Einsätze und richtige Tempi werden gerade im Schulbereich wesentlich sein, ohne »Führung« geht es selbst in der Musik nicht.

Die Vielfalt der Musik durchschritt danach zunächst das 15. bis 18. Jahrhundert. Mit Benedetto Marcello und Alessandro Scarlatti standen die Sonaten zweier bis heute berühmter Komponisten auf dem Programm. Darüber hinaus gab es aber auch Girolamo Dalla Casa und Francesco Barsanti zu entdecken, die teils in Bearbeitungen in Erscheinungen traten. So war Dalla Casas »Io canterei d’amor« ursprünglich ein Madrigal. Im Schulunterricht muß man aber nicht nur vorspielen, sondern auch vermitteln – die drei Studentinnen führten daher mit kurzen Moderationen durch den Abend und ordneten gerade die unbekannteren Werke bzw. Bearbeitungen ein.
Ein berühmter Blockflötist, der sich schon vor Jahrzehnten mit der Vermittlung beschäftigt hat, ist Hans-Martin Linde. Im Mai konnte er seinen 95. Geburtstag feiern. Sein »Music for a bird«, von Charlotte Claudia Schwämmlein gespielt, erweiterte den Block der Solostücke, die sämtlich auf einer Altblockflöte, der vielleicht angenehmsten Stimmlage des Instruments, gespielt wurden. Dabei hat sich Linde nicht auf den Vogelgesang allein konzentriert – er läßt die Flöte gackern, kieksen, mit fliehendem Ton pfeifen – als stünde man in einem Park voller Vögel.
Annegret Bayermann hatte bei Girolamo Dalla Casa eine ganz besondere Gesanglichkeit hervorgekehrt, fand ebenso bei Barsanti große Eleganz in der Linienführung. Hingegen wandte sich Pauline Reinheckel Marcello Benedettos virtuosen Sätzen zu, die mit ostinaten Wiederholungen und Variationen an Händels Passacaglien erinnerten.
Begleitet wurden die Studentinnen von Kreuzorganist Holger Gehring am Cembalo, der hier zwar einmal »andere Tasten« (sprich: Klänge) unter den Fingern hatte als üblich, genaugenommen gaben ihm die Flöten aber das zurück, was er sonst von seiner Orgel bekommt, die schließlich eine Ansammlung vieler Flöten und Pfeifen ist.
In Alessandro Scarlattis Sonate trafen gleich vier Flöten zusammen, nun alle im Subbaß incl. einer der rauchig klingenden Paetzold-Flöten. Die Sonate gelang derart gut, daß sie manchmal klang, als würde das Leipziger Amarcord-Ensemble Vocalisen singen.
Den Abschluß besorgten Francesco Geminiani (Charlotte Claudia Schwämmlein auf der Sopran-Blockflöte) sowie drei zeitgenössische Kompositionen von Heinz Marti (das schattenhafte »Ombra« endete mit Klappengeräuschen), Ryohei Hirose und Sylvia Corinna Rosin, wobei hier Tizian Roth am Klavier begleitete.
18. Juni 2025, Wolfram Quellmalz