Schostakowitschs französische Seite

Konzert am Vorabend der Schostakowitsch Tage Gohrisch im Dresdner Kulturpalast

Traditionell werden die Schostakowitsch Tage Gohrisch von der Sächsischen Staatskapelle, deren Musiker ab Donnerstag wesentlich zum einzigen Musikfest beitrugen, das sich jährlich und so ausschließlich wie keines dem Œuvre Dmitri Schostakowitschs widmet, im Dresdner Kulturpalast voreröffnet. Während in Gohrisch vor allem Kammermusik und Liedzyklen auf der Bühne zu erleben sind, gilt der Auftakt im Kulturpalast jeweils großen Orchesterwerken. Diesmal standen die beiden Klavierkonzerte des Komponisten zuerst einander und dann der zweiten Sinfonie Kurt Weills gegenüber. Für die Musikalische Leitung hatte die Staatskapelle Marie Jacquot eingeladen, die ein wenig in die Rolle einer Lieblingsdirigentin geschlüpft ist – nach dem Adventskonzert in der Frauenkirche 2022 folgte bald eine Wiedereinladung der Ernst-von-Schuch-Preisträgerin und ein (äußerst erfolgreiches) Einspringen auf einer Gastspielreise der Sächsischen Staatskapelle.

Die Festliche Ouvertüre Opus 96 von Dmitri Schostakowitsch verlieh dem Vorabend in der Tat einen Glanz, der eines Galakonzerts oder Staatsaktes würdig gewesen wäre. Auf die Eröffnung mit festlichen Blechbläsern und Pauken schlossen sich leichte Läufe der Holzbläser an, dem die Streicher pointiert folgten. Schon hier wurde eine Lesart Marie Jacquots deutlich, die Schostakowitsch schlanker sieht, eine elegante Linienführung betont, aber auch klare Konturen zieht. Immer wieder sollten »kantige«, leicht metallische Streicherverläufe ohne Vibrato aufscheinen.

Kirill Gerstein beim Sonderkonzert am Vorabend der Schostakowitsch-Tage Gohrisch im Dresdner Kulturpalast, Photo: Sächsische Staatskapelle Dresden, © Oliver Killig

Freilich werden die beiden Klavierkonzerte mit ihrer Größe und Kleinteiligkeit der Motivik oft expressiver dargestellt. In der feinen Handschrift, die jedes Detail offenbarte, ging manchem dieser Energiefaktor verloren. Nur: Gibt es ausgerechnet bei Schostakowitsch nur einen so kleinen, begrenzten Spielraum der Interpretation? Im ersten Klavierkonzert, das eine Solotrompete (Helmut Fuchs) vorsieht, aber keine Bläser im Orchester, wurden gerade zu Beginn und mit Pianist Kirill Gerstein Verbindungen zum Jazz deutlich, ja – Gerstein fand darin sinnend Anklänge zum Blues. Die Streicher, die trotz ihrer Geschlossenheit leicht blieben, duldeten eine größere Wahrnehmung der Solisten und für deren Einwürfe. Während dem Klavier ausgedehnte Pfade zugestanden sind, mußte sich Helmut Fuchs zunächst auf einzelne, jedoch prägnante, aufflammende Kommentare beschränken, mit denen er die Solotrompete aber weit in den Vordergrund rückte. Die eleganten Streicher fingen sein Feuer wieder ein, ohne es zu »löschen«.

Das Lento dehnte – keine Seltenheit bei Schostakowitsch – die Konzertform ins kammermusikalische Format einer Sonate, noch weit entfernt von der Verve des abschließenden con brio. Dieses Feuer sollte nach der Pause noch stärker lodern, obwohl die Stimmung mit den Bläsern zu Beginn des zweiten Klavierkonzertes zunächst auf »heiter« stand. Doch Holzbläser und vor allem Kirill Gerstein fanden bald in eine Beschleunigung, vom Tremolo der Streicher noch forciert.

Kirill Gerstein, Marie Jacquot und die Sächsische Staatskapelle, Photo: Sächsische Staatskapelle Dresden, © Oliver Killig

Zwar scheint das zweite Klavierkonzert ein »echtes« zu sein (während das erste als Konzert für Klavier, Trompete und Streicher bereits einen zweiten Solisten nennt), mit der Trommel gibt es dennoch einen Kontrepart über die üblichen Bläsersoli hinaus. Mit Vehemenz fand die Dirigentin in die Tutti-Rampe am Schluß.

Kirill Gerstein bedankte sich für den Applaus mit einer kleinen Rarität: Schostakowitschs »Wiegenlied« aus den »Aphorismen« Opus 13.

Mit leichtem, nicht leichtfertigem Händchen: Dirigentin Marie Jacquot, Photo: Sächsische Staatskapelle Dresden, © Oliver Killig

In der Gegenüberstellung erwies sich Kurt Weills zweite Sinfonie unabhängig historischer Gemeinsamkeiten oder Unterschiede als interessante musikalische Spiegelfläche, die in manchem Schostakowitschs Ton oder Zeit wiedergab, wie eine immer wieder durchschimmernde Marschgestik (ohne freilich einen »marschierbaren Marsch« darzustellen). Nach luftigem Beginn stellte sich der Schostakowitsch-Anklang mit dem Ruf der Trompete (Markus Czieharz) ein. Wieder gab es prägende Soli, wie das herrlich süffige Violoncello von Sebastian Fritsch, erst allein, dann von den Flöten umrahmt, die ihrerseits (Sabine Kittel) eine magische Atmosphäre im Largo beschworen, gemeinsam mit den Fagotten weiterspannen.

Marie Jacquot war ihrer schlanken eleganten Auslegung noch im flotten und heiteren Verlauf treu geblieben, was die Aufmerksamkeit für Details, aber auch für doppelbödige, dunkle Gründe wachhielt.

26. Juni 2025, Wolfram Quellmalz

Das Konzert wurde aufgezeichnet und wird am 21. Juli 20:03 Uhr auf MDR Klassik gesendet.

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