Orgel, Violine, Stimme

Sommerliche Abend-Musiken in Pirna mit einem Trio

Bereits die vierte Abend-Musik des Sommers erfüllte die St.-Marien-Kirche in Pirna am Donnerstagabend vergangener Woche. Dabei erklingt zwar oft, aber nicht immer und ausschließlich die Orgel. Nach einem Posaunenquartett und der Kombination Orgel und Saxophon in den Vorwochen gestalteten Friedrich Sacher (Kantor im Kirchspiel Coswig-Weinböhla-Niederau, Orgel), Kerstin Friese (Violine) und Kerstin Auerbach (Alt) einen Abend mit dem Titel »Erwarten – Expecto«, der in Texten aber auch in der Andacht das Erwarten inbegriffen hatte. Die Erwartungshaltung geht nicht nur von einem Wunsch oder einer Ausschmückung des zu erwartenden aus, sondern schließt das (Ab)warten ein, das keine passiv vertane Zeit sein soll.

Wer durch die abendlich fast leeren Straßen zur Marienkirche gekommen war, staunte vielleicht, wieviel Besucher die Reihe findet – die Stammbesucher staunen freilich nicht, sondern haben den Termin offenbar fest im Kalender. In der großen halligen Kirche gab es vor allem mit Orgel und Violine, auch im Zusammenspiel, Momente voller Ruhe und Kraft, die das Erwarten ausfüllten. Kerstin Friese hatte dem Anlaß gemäß aus Johann Sebastian Bachs zweiter Violinpartita nicht die aufregende, anspruchsvolle Ciaconna ausgewählt, sondern die Allemande – ein Satz, der Ruhe und (zielgerichtete) Bewegung in sich vereint und singend, schwebend durch das Kirchenschiff zog.

Deckengewölbe der Marienkirche Pirna (Ausschnitt) mit der Jahreszahl 1546 (Vollendung der Kirche) und der Darstellung des Weltgerichts, Bildquelle: Wikimedia commons

In der Stimme, die erstaunlich tief schien, »traf« sich die Violine mit dem Alt von Kerstin Auerbach. Die Sängern hatte allerdings spürbar Mühe, im großen Raum gehört zu werden – während leisere Passagen fast verschluckt wurden, klangen die forcierteren wie gerufen, eine bindende Basis gab es nicht. Vielleicht hatte Kerstin Auerbach auch die falschen Werke gewählt? Denn nicht schlichte (Kirchen)lieder standen auf dem Programm, sondern dramaturgisch höchst anspruchsvolles: Mit Gustav Mahlers »Urlicht«, »Irdisches Leben« und »Des Antonius von Padua Fischpredigt« einen kleinen Lied-Zyklus, Johannes Brahms‘ Rhapsodie »Aber abseits, wer ist’s?« (nach Johann Wolfgang von Goethe) beschloß den Abend. Dabei ging die Verständlichkeit aber ebenso verloren wie die reichlich eingesetzte Gestik, die auf einer Bühne wirkungsvoll gewesen wäre, von der Empore aus von den meisten Besuchern gar nicht bemerkt werden konnte. Auch der Witz der »Fischpredigt« erreichte das Publikum nicht.

Friedrich Sacher hatte an der Jahn-Orgel der St.-Marien-Kirche weder Probleme, den Raum zu »füllen« noch hinsichtlich der Gestaltung oder Artikulation. Rudolf Bibls zweite Orgelsonate war eine Bereicherung, die nach Mahlers Liedern sinfonisch zunächst anzuknüpfen und einen Choralteil einzuschließen schien (passend zum Thema Expecto). Auf das berührende, blühende Andante folgte eine aufweckende Allegro-Fuge – als seien alle Phasen des Erwartens in diesem Werk eingeschlossen. Jean Langlais‘ Missa in simplicitate (»Messe in Einfachheit«), für eine einzelne Singstimme und Orgel bzw. Harmonium besetzt, konnte in der Raumakustik jedoch nicht so überzeugen, wie man es bei einem Organistenkomponisten wie Langlais erwartet hätte.

In der Begleitung der Texte standen sich Violine und Orgel manchmal als Partner und zwei Instrumente gegenüber, dann wieder näherten sie sich einander, als wäre die Violine Teil der Orgel, wie in Johannes Brahms‘ Rhapsodie. Mit einem Ausschnitt (Adagio und Allegro) aus Georg Friedrich Händels Sonate E-Dur gab wurde die Marienkirche noch von etwas barocker Pracht bereichert – nach dem lieblich-gesanglichen ersten Satz war im zweiten ein Jubilieren enthalten.

Um auf das »Erwarten – Expecto« zu lenken, waren zwischen den Werken Texte eingefügt. »Die himmlische Rechenkunst« von Werner Bergengruen oder »Lege mich wie ein Siegel« erwiesen sich als stimmig zum Motto und zur Andacht, freilich sind mit Mikrophon gelesene Texte grundsätzlich eine Geschmackssache, wenn nicht fragwürdig, und eine Sängerin ist nicht automatisch eine gute Rezitatorin. Das Setzen von Pausen und Betonungen will gekonnt und dosiert sein. Gerade Rainer Maria Rilkes zauberhaftem »Ich bin auf der Welt« gebrach es an Intimität.

18. Juli 2025, Wolfram Quellmalz

Am kommenden Donnerstag spielt Pascal Kaufmann (Augustusburg) Orgelsinfonien von Charles-Marie Widor in der nächsten Abend-Musik.

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