Sopran, Fidel und Organetto beim Letní slavnosti staré hudby in Prag
»La flor en Paradis« (Die Blume im Paradies) lautete der Titel des Konzerts von Tasto Solo am Mittwoch in der Basilika Peter und Paul auf dem Vyšehrad in Prag. Und wie meist beim Letní slavnosti staré hudby war die erste Entdeckung der Ort, in diesem Fall der Burgwall. Das gesamte Ensemble auf dem Vyšehrad lädt heute nicht zuletzt gastronomisch zur näheren Bekanntschaft ein. Die Basilika beeindruckt mit ihrer über die Jahrhunderte reichenden Ausschmückung. Von einigen ursprünglichen, gotischen Malereien reicht diese über den Barock bis in neogotische Elemente, die letzte Überarbeitung fügte im fließendem Übergang den Jugendstil hinzu – manche der ornamenthaften Ranken und Farben erinnern an Alfons Mucha.

Musikalisch war es kaum weniger eindrucksvoll: Die amerikanische Sopranistin Anne-Kathryn Olsen drang mit Pau Marcos (Fidel) und Guillermo Pérez (Organetto) in die tiefen sakraler Musik vor. Aus den Codices Montpellier und Las Huelgas sowie Le Manuscrit du Roy trugen sie Musik vor, die nicht nur sakral gebunden ist, sondern ursprünglich auch einer bestimmten Liturgie folgte. Die Stimmen der drei Musiker entfalteten sich in der großen Kirche wunderbar, und das nicht nur, weil Anne-Kathryn Olsen einmal durchs Kirchenschiff ging, um aus der Mitte bzw. von weiter hinten zu singen.

Begeistern konnten schon die frühen Instrumente, die – so klein sie sein mochten – eine ungeheure Wirkung erzielten. Das auf den Knien gehaltene, über einen Faltenbalg betriebene Organetto, eine Früh- oder Vorform der Orgel, war im Charakter ebenso wandelbar wie die Fidel. Mal klang Guillermo Pérez‘ Instrument wie ein Flötenchor, mal wie eine kleine Orgel, dann wieder wie eine Stimme. Und auch der Fidel, von der man doch meint, sie sei ein einfacherer Vorgänger der Geige, haftete dieses Stimmhafte an, sie konnte aber auch eine Dudelsackharmonik entwickeln. Dabei war ihr Stimmumfang beträchtlich, reichte über Tenor und Alt (bzw. Cello und Viola) bis in den Sopran (Violine). Manchmal verschmolzen beide, dann klangen sie wie Flöte und Gambe.

Anne-Kathryn Olsen Sopran ist auf die Vielfalt der Alten Musik spezialisiert, der sie einen flexiblen Ton finden läßt. Sie kann ebenso meditativ klingen, wie lebhafte Erzählteile gestalten. Hier, in den frühen Formen der Motette, lag vielleicht die musikalisch größte Bereicherung. »Plus belle que flor« (Schöner als Blumen), im spanischen Codex Las Huelgas und im Codex Montpellier (13. Jahrhundert) überliefert, verband einen Motettenteil und eine Sequenz der Zeremonie mit einem erzählerischen »Triplum« – in der volkstümlichen Dreistimmigkeit schien das Programm sogar die portugiesischen Lieder von Sete Lágrimas am Montag [unser Bericht: https://neuemusikalischeblaetter.com/2025/07/22/alte-musik-alte-schlager/%5D zu berühren.

In der kompakten, aber intensiven Form (ohne Pause) mußte Tasto Solo dem Publikum noch eine Zugabe bieten und wählte eine Motette aus dem Manuscript La Clayette.
24. Juli 2025, Wolfram Quellmalz