Moritzburg Festival legt mit französischem Repertoire nach
Am Eröffnungswochenende des Moritzburg Festival (MBF) durfte Paris als Musikmetropole, vertreten durch Pablo de Sarasate, Gabriel Fauré und César Franck, schon einmal die Aufmerksamkeit an die Seine lenken, am Sonntag gab es auf der Schloßterrasse sozusagen Nachschlag. Denn während Rom, St. Petersburg, Oslo oder Kopenhagen (alle diese Woche beim MBF) jeweils einen Abend oder einen Teil davon ausfüllen, gehört Paris neben Wien zu jenen, denen gleich zwei Konzerte gewidmet sind. Und wie sich zeigte, galt das nicht der Fülle, sondern der Vielfalt.
Allerdings hatte die Witterung manche recht kalt erwischt, denn vierzehn abgezählte Grade (Celsius) waren reichlich frisch! Wohl denen, die vorsorglich schon die Herbstkleidung hervorgeholt hatten …
Denn zum innerlichen Erwärmen war das Programm nicht ganz gedacht – keine glutvolle Musik à la Moulin Rouge zum Beispiel, vielmehr höchst exotische Kompositionen. Der Name von Maurice Ravel war noch der bekannteste auf dem Programm, gefolgt von Camille Saint-Saëns, doch wer hatte schon einmal dessen Septett für Trompete, Streichquintett und Klavier Es-Dur gehört? Die Besetzung ist so extravagant, daß sich selbst Saint-Saëns, mehrfach darum gebeten, erst spät entschloß, den Wunsch nach dem Werk zu erfüllen. Helmut Fuchs von der Sächsischen Staatskapelle war kurzfristig eingesprungen, die erkrankte Tine Thing Helseth zu ersetzen und das Pariser Stück im Programm zu erhalten. Mit seinem weichen Ansatz veredelte er manche Passage des sonst mitunter kuriosen Werkes. Anton Mejias (Klavier), Karen Gomyo und Hina Khuong-Huu (Violinen), Ulrich Eichenauer (Viola), Hayoung Choi (Violoncello) und Janne Saksala (Kontrabass) vervollständigten das Ensemble.
Kompositorisch vielleicht nicht von höchstem Wert, konnte das Septett wohl kaum einen dankbareren Aufführungsort als diesen finden, um sein exotisches Flair zu entfalten und im Intermède den Tango zu berühren – der kam schließlich ebenso nach Paris und sorgte für steigende Temperaturen.
Nicht nur nüchterner und kühler, sondern mit einer in jeder Note spürbaren Tragik ist Louis Viernes Klavierquintett Opus 42 behaftet. Was man leicht vergißt: Vierne hat neben Orgel- und Chorliteratur einige Pièces verfaßt. In seinem Klavierquartett freilich verarbeitet er den Verlust des im Ersten Weltkrieg gefallenen Sohnes, wie schon der Trauerakkord zu Beginn verdeutlicht. Juho Pohjonen (Klavier), Fiona Khuong-Huu und Andrea Cicalese (Violinen), Karolina Errera (Viola) sowie Oliver Herbert (Violoncello) spürten der tiefen Melancholie nach, faßten in der Erregung der Tremoli aber auch die Verzweiflung des Vaters in Töne. Das berührte einerseits, andererseits erstaunte die kompositorische Anlage – trotz kleiner Besetzung hatte der Organist Vierne (orgel)sinfonisch geschrieben. Das schien teilweise groß und weitgefaßt, im Gegenüber von Klavier und Streichquartett erinnerte es an Rachmaninows Konzerte.

Nach der Pause sorgten Juho Pohjonen (der diesmal »oben« saß) und Wu Qian an den tiefen Tasten mit Cécile Chaminades sechs Pièces romantiques für Klavier zu vier Händen (Opus 55) für mehr Wohlfühl- und Saloncharakter. In der Gestalt bisher am geschlossensten, auch gefälligsten an diesem Abend, führten die beiden Pianisten im charmanten Plauderton (»Primavera« / Frühling) in die Pariser Salons, bewahrten eine perlende Eleganz (»Idylle arabe« / Arabische Idylle) oder zeichneten zärtlich pittoreske Gebilde (»Sérénade d’automne« / Herbstserenade). Der innige Charakter wurde gerade dadurch betont, daß die Stimmen bzw. Hände beider sich beständig mischten und keiner ausgeprägten Rollenverteilung von Melodie und Begleitung folgten. Für einen pointierten Höhepunkt sorgte »Danse hindoue« (Hinduistischer Tanz, Nr. 5).
Nach so viel ungewohntem, stark beeindruckendem Repertoire schien Maurice Ravels Klaviertrio a-Moll fast zu geläufig. Trotz aller darin enthaltener Farben und Temperamente fiel auf: die Achterbahnfahrt der Gefühle mag bei Ravel am größten gewesen sein, während im Vergleich Cécile Chaminade eher die »Schwebe« hielt, doch hatten die zuvor erklungenen Werke mehr Spannung erzeugt. Was aber nicht auf einen Mangel in der Ausführung zurückzuführen war, denn Wu Qian, Kevin Zhu (Violine) und Guy Johnston (Violoncello) beleuchteten Ravels beliebtes Trio sorgsam aus allen Richtungen. So fanden sich die Streicher, liedhaft verschlungen, dem Klavierbaß gegenüber (dritter Satz), nachdem das Trio im zweiten (Assez vif / recht lebhaft) feurig ausgemalt hatte.
18. August 2025, Wolfram Quellmalz