Lautenmusik im Kunstgewerbemuseum
Es ist ein besonderer Jahrgang der Alten Musik im Kunstgewerbemuseum – während die kleine Zahl der sonst manchmal nur drei Konzerte schon oft mit dem Beginn der Sommerferien verstrichen war, gibt es in diesem Jahr fünf Termine. Das herbstliche Postludium birgt und barg erneut ganz besondere Extras.
Am Sonnabend spielte Anne-Kathrin Tietke sozusagen ein musikalisches Oxymoron, gehört doch die »Laute« ganz anders, als es der Name zu suggerieren scheint, zu den leisesten Instrumenten überhaupt. Aber auch zu den vielseitigsten (und vielsaitigsten). Wie manche ihrer Schwestern, etwa die Chitarrone, kommt sie oft »theorbiert« daher, also mit zwei Hälsen und zwei Saitensätzen – lang und frei für die Baßbegleitung sowie kürzer und mit Griffbrett für die Melodie. Anne-Kathrin Tietke zeigte, wie sich beide Saitenläufe miteinander verbinden können: manchmal entstand dabei eine Zweistimmigkeit von Melodie und Baß, dann wieder waren Übergänge fließend.
Im Mittelpunkt standen Werke des Lautenspezialisten schlechthin, Silvius Leopold Weiss, Hoflautenist und bestbezahlter Musiker am Dresdner Hof. Über 600 Werke sind allein in Manuskripten von ihm überliefert, erzählte Anne-Kathrin Tietke, die heute in großen Sammlungen aufbewahrt werden. Neben dem Fundus der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden gibt es weitere Quellen in Moskau und London.
Aus diesem schier unerschöpflichen Reichtum hatte die Lautenistin fünf Werke mitgebracht, die trotz formaler Übereinstimmungen Weiss‘ ungeheuren Einfallsreichtum bewiesen. So waren drei Sonaten bzw. Suiten (auch Partiten genannt) dem Satzbau nach tatsächlich identisch. Doch unterschieden sie sich weit mehr als nur in den Tonarten d-Moll, F-Dur und Es-Dur.
Die gute Stunde bot nicht nur Gelegenheit, dem Klang der Laute zu lauschen, sie offenbarte viele Unterschiede zu »gewohnten« Instrumenten. Mag es eine weite Klangverwandtschaft mit dem Cembalo geben – die Laute perlt wärmer, spielerischer, sinnlicher. So geriet schon die Sarabande der ersten Sonate, an sich ein langsamer Schreittanz, zur Liebesarie – Lauten gehörten zu den bevorzugten Begleitinstrumenten, wenn Sänger locken oder um eine Geliebte werben wollten, wie selbst Don Giovanni wußte. Doch die Laute ist selbst eine große Liebeskünstlerin, die jeden Ton umschmeichelt und liebkost. Das zeigte sich im Konzert nicht allein an einer gewissen Vorsicht oder den Pausen, die Anne-Kathrin Tietke zwischen den Sätzen verstreichen ließ, sondern darin, wie sich der Klang entfaltete. So durfte er über die mitschwingenden Resonanzsaiten nachklingen, womit sich ein Effekt wie von Glocken einstellte.
Vor dreizehn Jahren ließ sich die Lautenistin, die ursprünglich klassische Gitarre gelernt hatte, vom Instrument und der Musik Silvius Leopold Weiss‘ verzaubern. Wie so oft war das Konzert im Bergpalais des Pillnitzer Schlosses eine Gelegenheit, der Musik ein klein wenig näherzukommen. Und so blieb es nicht bei den Erklärungen im Verlauf der Stunde, viele Besucher wollten danach noch mehr wissen, das Instrument sehen oder die Tabulaturschrift betrachten, in der Weiss seine Werke notiert hatte und die sich (mit Buchstaben statt herkömmlichen Notenköpfen) erheblich vom gewohnten Notenbild unterscheidet.
So bot diese Alte Musik sehr viel Neues oder zumindest Ungewohntes, denn in manchen Fällen mußte man sich von den Erfahrungen lösen. Dazu zählten zwei Werkpaarungen von Phantasie und Fuge zum Programm, also einer Gattung, die man gemeinhin mit der Orgel verbindet – was für ein Unterschied! Die Phantasien schienen um einiges luftiger und freier, die Fugen ließen, obwohl hier eigentlich nur eine Hand zupfte (im Gegensatz zu je zwei Händen und Füßen beim Organisten) nichts missen.

Das Abschlußkonzert der diesjährigen Konzertreihe in zwei Wochen kündigt eine »Neuentdeckung und Wiederkehr« an. Denn in den letzten Jahren hatte das Kunstgewerbemuseum Spenden eingeworben, um ein Cembalo, das vermutlich aus der Werkstatt Silbermann stammt, restaurieren zu können. Mittlerweile ist dies vollbracht und damit auch gesichert: Johann Daniel Silbermann hat es gebaut. Jan Katzschke soll es nun wieder zum Leben erwecken.
11. Oktober, 17:00 Uhr Festkonzert zur Präsentation des restaurierten Cembalos von Johann Daniel Silbermann, Bergpalais im Pillnitzer Schloß
21,- Euro (ermäßigt: 18,-, der Parkeintritt: ist in der Konzertkarte enthalten)