Kapellknaben feierten Rundfunkgottesdienst mit einer Uraufführung
Erst bekamen wir eine Stunde zurück, dann rückte der Gottesdienstbeginn in der Katholischen Hofkirche (Kathedrale) wieder eine halbe Stunde vor – Deutschlandfunk und MDR Kultur übertrugen am vergangenen Sonntag live. Das ist an sich auf beiden Sendern jeden Sonntag üblich, trotzdem gab es diesmal zwei Weltpremieren: einerseits die Uraufführung eines Werkes, das aus dem Kompositionswettbewerb der Dresdner Kapellknaben hervorgegangen ist, andererseits wurde der von Dompfarrer Norbert Büchner geleitete Gottestdienst mit der neuen Messe in »Dolby-Atmos-Qualität« aufgezeichnet. Das Bistum Dresden-Meißen will die Aufnahme online stellen, dann soll jeder, der über eine entsprechende Anlage oder Kopfhörer verfügt, per Kopfdrehung oder Herumlaufen den Eindruck haben, im Raum der Hofkirche zu hören.

Aus mehr als 40 Kompositionen haben die Kapellknaben und ihr Domkapellmeister Christian Johannes Bonath die »Jubelmesse« von Gregor Simon ausgewählt. Für den Kirchenmusiker war es bereits die zehnte Messe, also ein Werk, das sich an den Messe-Teilen des Gottesdienstes orientiert. Zu den Vorgaben zählte unter anderem eine Vierstimmigkeit (Sopran bis Baß), wobei die hohen Stimmen natürlich mit Knaben besetzt sind. Auch kann man davon ausgehen, daß sich Gregor Simon auf den typischen Klang eines Knabenchores von der Größe der Kapellknaben konzentriert hat. Daneben gab es noch einen anderen Fixpunkt – Carl Maria von Weber. Denn auf den bezog sich der Komponist explizit, wie er in einem Interview verriet. Vor 200 Jahren habe Carl Maria von Weber seine »Jubelmesse« in der Katholischen Hofkirche Dresden uraufgeführt, daher also auch der Name des neuen Werkes.
Insofern ist die neue Lesart dann doch nachvollziehbar – Gregor Simon hat zu einem ungemein romantischen Gestus gefunden, der seine Messe durchaus nicht auffällig als Gegenwartsmusik in Erscheinung treten läßt. Ein bißchen überraschte das schon – einerseits handelt es sich ja nicht um ein eigenständiges Werk wie eine Motette oder Kantate, die in einem Gottesdienst gesungen wird, sondern um Texte, die in den Ablauf des Gottesdienstes liturgisch noch direkter eingebunden sind. Daß diese sich sozusagen unauffällig oder gefällig fügen (und nicht verstören), haben manche sicher begrüßt. Andererseits hätte man nach einem Kompositionswettbewerb durchaus mehr Bezug zu unserer Zeit, wenn auch nicht Auffälligkeit oder gar Extravaganz, erwarten können.
Mit dem Kyrie Eleison in leicht fallender Melodie erweckte Christian Johannes Bonath einen schwebenden Klang der Kapellknaben – diese »Himmelstufe« blieb bis über manche Sopransoli hinaus prägend und fand im eingefügten Engel-Terzett aus Felix Mendelssohns »Elias« seine Fortsetzung. Das Christe Eleison hob die Schwebung vorübergehend auf und bot größeren Kontrast in den vier Stimmen, auch dies klassischen Vorbildern entsprechend.
Mit dem Gloria in excelsis Deo wurde der im Titel verankerte Jubel durch Steigerungen in der Melodie (Tonhöhe) und Dynamik deutlich hörbar, behielt aber einen dem Text (oder der Seele) zugewandten Charakter. Eine profane »Rampe« hatte Gregor Simon also nicht programmiert.
Nach dem an dieser Stelle eingeschobenen Engel-Terzett sorgte das Sanctus für einen warmen, umschließenden Schein. Vom Eindruck oder der »Konfrontation« der vielleicht schönste Satz der Messe, trotzdem hätte man bisher nicht zwingend ein zeitgenössisches Werk vermutet. Mit dem Jubel des Hosanna wurden wieder die oft tragenden Sopranstimmen betont, was nun teilweise etwas dominant schien.
Und doch sorgte Gregor Simon für eine Überraschung, denn das zur Eucharistie gehörende Dona nobis pacem zeigte sich, hell aufsteigend, in einem moderneren Gewand und führte das Agnus dei an.
Domorganist Sebastian Freitag, der den Gottestdienst begleitet hatte, schloß musikalisch mit Johann Sebastian Bachs Präludium und Fuge C-Dur (BWV 545) – am Reformationstag schließt er seinen eigenen Bach-Zyklus in der Hofkirche mit dem fünfzehnten Konzert ab.
27. Oktober 2025, Wolfram Quellmalz