(K)ein Liederabend?

Anna Prohaska und Caspar Frantz schnüffeln dem Plagiator Wagner nach

Am Wochenende haben die Mendelssohn-Festtage Leipzig (MTL) mit einem Festkonzert im Gewandhaus begonnen, an dem Anne-Sophie Mutter (Violine), Pablo Ferrández (Violoncello) und Elena Bashkirova (Klavier) beteiligt waren. Die Pianistin hatte dabei – neben Michael Blumenthal (zuvor US-Finanzminister und Direktor des Jüdischen Museums Berlin) – den Internationalen Mendelssohn-Preis zu Leipzig entgegengenommen.

Nach einem Klavierrezital gingen die MTL am Montag im Mendelssohn-Saal des Gewandhauses weiter. »Richard Wagner – Der Plagiator« titelten die Sopranistin Anna Prohaska und der Pianist Caspar Frantz und wollten, so die Ankündigung, erklären, wo sich Wagner »schamlos, aber ebenso geschickt« bei anderen Komponisten bedient habe. Das war schon ein Hinweis, daß es wohl kein »rechter« Liederabend werden würde, auch wenn das Programmfaltblatt ein »Rezital« versprach und dreizehn einzelne Titel plus einige Ausschnitte ankündigte.

»Juhohohe« wagnerte Anna Prohaska (aus dem fliegenden Holländer) anfangs, brachte Sentas Erzählung aber nicht ganz zu Ende. So sollte es bleiben – Arien, Lieder, Szenen wurden teils nur angerissen, waren in Erklärungen eingebettet, mit flockigen Anekdoten garniert. Anna Prohaska moderierte, erzählte und sang in einem schicken gelben Sessel sitzend. Dabei war gar nicht alles ihr Fach, was sie vortrug, denn sie sei, sagte sie selbst, kein hochdramatischer Sopran.

Die Sopranistin Anna Prohaska, Photo: Harald Hoffmann

Das ist an sich nicht schlimm, und auch ein Liederabendkonzept für den Salon kann reizvoll sein, nur leider war es hier weder dies noch das. Viel zu kurz waren die Ausschnitte, viel zu fliegend die Wechsel, vor allem: den »Plagiator« konnten weder die Sopranistin noch der Pianist entlarven. Was sie anführten, war allenfalls eine These, Vermutung, die konsequente Verfolgung einer Spur ließen beide leider ebenso aus wie wirklich triftige Argumente. Ärgerlich, daß Prohaska gar zweimal davon sprach »hier nicht alle Beweise« vorlegen zu wollen (wegen des Salons?) – sie brachte nicht ein einziges Indiz!

Caspar Franz und Anna Prohaska präsentierten in der Tat einige wenige Ähnlichkeiten, die sich vielleicht als Inspiration auslegen ließen, und brachten die Pasticci ins Spiel (was hier nicht paßte). Tremoli oder musikalisch gezeichnete Wellen (Mendelssohn: Hebriden, Wagner: Rheingold) – sollen das »Plagiate« sein? Dann könnte man jedem Komponisten, der sich eines Kontrapunktes bedient, des musikalischen Diebstahls bezichtigen!

Sicher hätte es Beispiele gegeben, die auch für die vielen Besucher des Wagnerverbandes neu oder zumindest neu gehört gewesen wären. Aber dann hätten sich Anna Prohaska und Caspar Frantz statt auf eine Fülle Albernheiten auf einige dezidierte Punkte konzentrieren müssen. So gab es allerlei »Trivia« und »Spaß beiseite« oder Aussagen vom Niveau »Wagner ist Mozart auf Testosteron«. Das von Wagner im Parsifal aufgegriffene Dresdner Amen wurde zwingend als Mendelssohn-Zitat (Reformations-Sinfonie) unterstellt, dabei ist die Sachlage ziemlich eindeutig: Richard Wagner hat es in Dresden in der Kreuzkirche kennengelernt (wo es im Gottesdienst bis heute regelmäßig erklingt).

Daß man diesen Abend nicht ernst nehmen konnte, ist bedauerlich, denn die Voraussetzungen wären gegeben gewesen. Schließlich bewies Anna Prohaska mit »So bin ich verlassen« aus Carl Maria von Webers »Euryanthe« und »Im Treibhaus« aus Wagners Wesendonck-Liedern, wie großartig sie interpretieren kann. Mehr wäre eben mehr gewesen! Und Prohaskas nebenbei hingeworfener Satz, Richard Wagners Antisemitismus sei (vielleicht) ein opportunistischer und strategischer gewesen, birgt nicht nur scheinbar gedanklichen »Sprengstoff«, er wäre es wert gewesen, ernsthaft diskutiert zu werden!

4. November 2025, Wolfram Quellmalz

Die Mendelssohn-Festtage Leipzig gehen noch bis zum Wochenende. Zu den erwarteten Gästen zählen unter anderem Gidon Kremer und Igor Levit.

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