Holsts Planeten und MacMillan als Star

Sir James MacMillan startet eindrucksvoll in seine Residenz bei der Dresdner Philharmonie

Da mußte die Dresdner Pholharmonie viel aufbieten, um den Eindruck vor der Pause noch zu steigern. Für Gustav Holsts Suite »Die Planeten« bot sie am Sonnabend in ihrem Stammhaus alles, was sich im Kulturpalast herbeizaubern läßt: Saallicht signalisierte die Planeten in kämpferischem Rot (Mars), kühl-verzaubertem Blau (Uranus) oder ambivalenten Silber / Weißgold (Saturn), dazu Sternenhimmel ringsum und Projektionen der Planeten an der Seitenwand. Fast schon eine Multimedia-Show, sorgte es aber nicht für »optische Unruhe«, sondern nahm Gestalt an in einer Stimmung. So blieb letztlich die Musik im Vordergrund – einmal alle »Planeten« erleben und nicht nur »Jupiter« oder »Mars«, darum ging es doch!

Gustav Holsts Suite»The planets« mit der Dresdner Philharmonie im Kulturpalast, Photo: Dresdner Philharmonie, © Oliver Killig

Daher ließ sich weit mehr in Gustav Holsts Suite entdecken als fröhlicher Tumult oder martialisches Vorwärtsdrängen. Vielleicht strahlte der »Saturn« am vielschichtigsten, in jedem Fall barg er eine hohe Binnenspannung. Das Orchester konnte über alle Bläser- und Streichergruppen bis in Harfe und Schlagwerke zeigen, welche Farben es zu entfachen versteht – der vielgehörte »Jupiter« entfaltet eine majestätische Macht. Eisig, sogar das Bild der Projektion schien eingefroren, verabschiedete sich am Ende »Neptun«. Blau war die Orgel angestrahlt, während die Frauenstimmen des Philharmonischen Chors Dresden (Einstudierung: Iris Geißler) wie ein eigenes Instrument oder zusätzliches Register seitlich aus dem verborgenen drangen – zuletzt war nur noch Sir Donald Runnicles im Licht, bevor alles in Dunkelheit versank.

Doch dieser Abend hatte nichts Apokalyptisches, auch nicht am Anfang. Zwei Sirs, zwei Schotten, dazu in künstlerischer Freundschaft verbunden, hatten im Rampenlicht gestanden. James MacMillans vierter Sinfonie hatte Donald Runnicles 2015 bereits zur Uraufführung verholfen. Ihm ist das Werk auch gewidmet – und dem Gedenken an Robert Carver. Genau fünfhundert Jahre früher hatte Carver eine Messe (Dum sacrum mysterium) geschrieben, auf die sich MacMillan immer wieder in seinem Stück bezieht. Also im Grunde ähnlich wie vor Wochenfrist bei Ralph Vaughan Williams‘ Fantasia on a Theme by Thomas Tallis, aber in der Ausführung vollkommen eigenständig. MacMillan hat die Zitate anders einbezogen, noch mehr sinfonisch verwoben, dabei ist selbst Alte-Musik-Kennern die Messe zunächst ferner als Tallis‘ Thema.

Gustav Holsts Suite»The planets« mit der Dresdner Philharmonie im Kulturpalast, Photo: Dresdner Philharmonie, © Oliver Killig

Robert Carver war zu seiner Zeit der bedeutendste Komponist Schottlands gewesen, erklärte Sir Donald in seiner Begrüßung, um sogleich auf den »bedeutendsten lebenden schottischen Komponisten« zu verweisen – James MacMillan.

Historische Zitate traten innerhalb einer Streichergruppe hervor, die sich separat formierte, harmonisch »auswanderte«. James MacMillan stellt sie aber nicht mit Kontrasten oder Brüchen einem Eigenanteil gegenüber, sondern läßt beides kenntlich ineinanderfließen. Stehende Streicherklänge, Glocken, Pizzicati, chorische Blechbläser, ein Glissando-Aufschwung – alles bleibt verbunden, die ganze Sinfonie, wiewohl in einem Stück und ohne Satzbezeichnung, fügt sich aus Episoden, die in einem stetigen Wandlungsprozeß erzählt werden – ein betörender Fluß, der das Publikum am Ende begeisterte! Immer wieder schimmerte der Bezug zu Robert Carver durch, zu seinem Gesang, so daß teilweise die Erwartung entstand, jetzt folge ein Choral. Das große Orchester wurde immer neu umgeformt, unterschiedliche Schwerpunkte ergaben sich zwischen Streichern, Bläsern und Schlagwerkern und sogar eine kadenzartige Passage mit dem Klavier und wechselnden Duopartnern war faszinierend eingebunden.

Residenzkomponist Sir James MacMillan, Photo: Dresdner Philharmonie, © Oliver Killig

Ruhe und kraftvoller Strom lagen unmittelbar nebeneinander, einmal wachgerufen von der Oboe, dann unmerklich, aber plötzlich präsent – MacMillans Musik enthält überraschende Wendungen, ohne mit »Schockmomenten« zu brüskieren. Statt unüberschaubaren Klangmassen und chaotischen Verläufen bietet Sir James eine melodische, atmosphärisch ausdrucksstarke und stimmungsvolle Welt, die vom Publikum gerne angenommen wurde – langanhaltender Applaus rief den Komponisten immer weder auf die Bühne. Holsts bebilderte Suite, für viele vielleicht eine erstmalige Begegnung mit dem ganzen Werk, stand letztlich nicht über James MacMillans Sinfonie, sondern auf gleicher Höhe.

24. November 2025, Wolfram Quellmalz

Das nächste Konzert mit einem Werk des Residenzkomponisten Sir James MacMillan findet am 17. April statt (Konzert für Sopran-Saxophon und Streicher).

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