Aufführung von Fritz Langs »Der müde Tod« im Militärhistorischen Museum
Im Œuvre des Regisseurs, Schauspielers und Filmemachers Friedrich »Fritz« Lang finden sich einige geheimnisvolle, märchenhafte oder schauerliche Sujets. Neben »Dr. Mabuse«, den »Spinnen« und den »Nibelungen« ist »Metropolis« sein berühmtestes Werk und ein Meilenstein der Filmgeschichte. Doch schon sechs Jahre zuvor schuf Fritz Lang mit »Der müde Tod«, noch im Eindruck des Ersten Weltkrieges, ein einzigartiges Meisterwerk, das sich einerseits mit dem Thema Tod (und dessen Unentrinnbarkeit) auseinandersetzt, andererseits durch seine Märchenhaftigkeit, seine nach wie vor beeindruckende n Effekte und eine liebevolle Darstellung noch in den Details bezaubert. Eine junge Frau versucht darin, dem Tod ihren Bräutigam zu entreißen – anders als Orpheus und Eurydike dürfen sich beide am Ende wieder vereinen …
Originale des Films sind (zumindest im Ganzen) offenbar nicht überliefert, weshalb er aus Kopien verschiedener Quellen rekonstruiert wurde. Am Montag gab es eine Vorführung im Militärhistorischen Museum, die auf das Material, das auch im Fernsehen (arte und ZDF) gezeigt wurde, zurückgriff, jedoch mit einer Neuvertonung aufwartete. Damit führte das Militärhistorischen Museum eine Reihe fort, die vor neun Jahren mit »Panzerkreuzer Potemkin« begann und seitdem immer wieder Neuauflagen gefunden hat: Historische Stummfilme werden ganz bewußt nicht nur mit Neuer, sondern den Mitteln der elektronischen Musik ausgestattet. Für Fritz Langs »Der müde Tod« hatte man den Auftrag an den in Berlin lebenden Künstler Jan Jelinek vergeben, der mit seinen Soundcollagen bereits auf der Expo 2000 in Hannover vertreten war, aber auch mit Ensembles wie Ars Acustica von SWR2 gearbeitet hat.

In das (zumindest im Vergleich zu »Metropolis«) unbekannte Meisterwerk führte Dr. Philipp Stiasny ein, und siehe da: schon 1921 hat es im Dresdner Prinzeß-Theater auf der Prager Straße eine Vorführung des Films gegeben, von Dresdner Neuesten Nachrichten besprochen und von Victor Klemperer miterlebt. Der damalige Rezensent der Dresdner Neuesten Nachrichten lobte die märchenhaften, an Gemälde Ludwig Richters erinnernden Bilder und die Atmosphäre des Orient-Kapitels »wie aus 1001 Nacht«, während von Victor Klemperer sogar Aussagen zur Musik (jene von Schubert gehöre zu den schönsten Eindrücken des Films) erhalten sind.
Philipp Stiasny wies darauf hin, daß »Der müde Tod« zu Entstehungszeit neben einer überwältigenden Vielzahl von Unterhaltungsfilmen, nicht zuletzt aus Hollywood, als Kunstfilm bereits etwas Besonderes war. Obwohl der märchenhafte Charakter überwiege, stehe die Verarbeitung des Themas Tod im Vordergrund.
Franz Schubert gab es am Montag nicht zu hören, auch keine »Musik« im eigentlichen Sinne, sondern im wörtlichen eine Neuvertonung in der Art einer Collage, die allerdings ein wesentliches Problem hatte – sie war zu laut. Denn schon der Anfangston wurde dominiert von einem technischen Brummen, das fast körperlich unangenehm war. Zwar gewöhnte man sich daran, doch der übertriebene Eindruck blieb. Eigentlich schade, denn gerade eine solche Unterlegung »funktioniert« anders, wenn sie eine entsprechende Ebene in der Wahrnehmung findet: man bemerkt einzelne Elemente, während andere überhört oder unterbewußt verknüpft werden. Wobei dies jeder individuell anders erfährt, was gerade den Reiz ausmacht. War hier die Präsentation der Neuvertonung zu stark betont? Wenn ja, sei ihr eine zweite Chance unter anderen Umständen gegeben, dann kann sicher der Ton seine Wirkung besser entfalten.
Erstaunlicherweise ergaben sich in der rhythmischen Struktur Parallelen oder Ähnlichkeiten zumindest mit der Vertonung von Cornelius Schwehr (2016 für arte / ZDF). Wie dort illustriert Jan Jelineks Soundcollage weniger Bilder, Szenen oder Emotionen, als daß er eine übergeordnete Stimmung, einen Grundduktus schafft, der vom beständigen Pochen und Schlagen (wie einer ostinaten Figur in der Musik) geprägt wird. Darüber hinaus lagen akustische Reizpunkte in Verfremdungen oder Geräuschen wie zerknautschendes Papiers. Jan Jelinek ließ nicht allein die Tonspur zum Film laufen, sondern spielte seine Klangelemente live ein.
Trotzdem beeindruckte Fritz Langs letztlich stärker, wegen der atmosphärischen Dichte, den märchenhaften Bildern und der hervorragenden Besetzung (unter anderem Eduard von Winterstein als Kalif). Zum Eindruck tragen noch die Schrifttafeln der Zwischentexte bei, die für die eingeschobenen Episoden im Orient oder China zwar deutsch lesbar sind, deren Typographie aber an orientalische und chinesische Schriftzeichen erinnert. Dem Chinesischen Kaiser schenkt ein Zauberer übrigens, als hätte er den Aufführungsort gekannt, die Miniatursoldaten eines »wohlorganisiertes Heeres«.
2. Dezember 2025, Wolfram Quellmalz
Die Filmvorführung wurde für die Mediathek des Museums aufgezeichnet. Nächste Veranstaltung im Militärhistorischen Museum: »Es wird schon nicht so schlimm werden« (Hans Schweikart), Szenische Lesung mit Christine Sommer und Martin Brambach.