Schloßkapelle Torgau nimmt neuen Anlauf zum Weltkulturerbetitel
Ein erster Versuch zur Erlangung eines UNESCO-Welterbetitels, als Erweiterung zu den Luthergedenkstätten Wittenberg zu zählen, war 2016 abgelehnt worden. In Torgau ließ man sich aber nicht entmutigen und besann sich auf den Kern dessen, was es in Sachen Luther an Erbe zu bewahren gilt. Denn neben dem an sich schon reizvollen Schloß und dem Ensemble der Altstadt kann die Schloßkapelle wichtige Attribute für sich reklamieren: sie ist die einzige Kirche, die Martin Luther selbst geweiht hat, darüber hinaus mit dem so wichtigen Namen des »Urkantors« Johann Walters (1496 bis 1570) verbunden.
Mittlerweile hat sich das Verfahren der UNESCO geändert. Antragsteller müssen sich zunächst in einer Vorstufe prüfen lassen. Der Antrag dafür ist auf 50 Seiten begrenzt – viel Dokument, wenn man es im Sinne eines Formulars sieht, aber wenig, wenn es darum geht, historisch-fachlich die Lage darzustellen. In Torgau fand man eine bemerkenswerte Lösung, bemerkenswert nicht zuletzt wegen der rekordverdächtigen Zeit, in der ein wichtiger Tagungsband erschien: erst im Januar war im Rahmen einer Tagung der aktuelle Forschungsstand, das weitere Vorgehen und die Aussichten auf einen Welterbetitel diskutiert worden, wofür unter anderem als internationale Kapazitäten geltende Experten gewonnen worden waren. Jetzt – nur neun Monate später – liegt der Tagungsband »Talking about Torgau Castle Chapel« bereits vor und kann damit als Anhang und Ergänzung zum Antrag mitgegeben werden. Denn der etwas sperrige Titel verweist einerseits auf den offenen Austausch, der im Januar stattgefunden hat, und ist durchgängig zweisprachig (deutsch / englisch) gestaltet. Wohlgemerkt gestaltet, denn auf Übersichtlichkeit und Lesbarkeit haben die Beteiligten viel Wert gelegt. Das sind zunächst der Landkreis Nordsachsen, das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, die Herausgeberinnen Lydia Klöppel und Dr. Eva Battis-Schinker sowie die Verlegerin Christine Jäger-Ulbricht vom Verlang Sandstein-Kultur, der damit seine Dokumentationspartnerschaft in Torgau fortsetzen konnte.
Am Donnerstag (einen Tag vor dem Reformationsfest) wurde der Tagungsband in einem Festakt vorgestellt, zu dem unter anderem Landrat Kai Emanuel und Landeskonservator Alf Furkert angereist waren. Vor allem aber sorgten Sopranistin Viola Blache mit ihrem Begleiter Jonas Nordberg (Laute) und der ortsansässigen Kantorin Christiane Bräutigam dafür, daß die entsprechende Musik erklang. Sie hatten Werke zusammengestellt, die in Ort und Zeit Verbindungen zur Schloßkapelle aufwiesen, also hier schon vor Jahrhunderten erklungen sein dürften.

Urkantor Johann Walter hatte die Ehre, mit dem Pfingst-Antiphon »Komm heiliger Geist« den Nachmittag zu eröffnen. Heute steckt zwar eine moderne Orgel im historisch anmutenden Prospekt, doch diese ist nicht nur in einer mitteltönigen Stimmung an den Ort angepaßt, sie verfügt auch über die passenden, teils effektvollen Register. Für den Beginn wählte Christiane Bräutigam ein Zungenregister im Regal sowie ein Krummhorn, so daß Eindrücke entstanden, die an fast mittelalterliche Dudelsäcke oder an ein Akkordeon erinnerten.
Historische Liederbücher wie jenes aus Glogau (um 1480) bilden eine wertvolle Grundlage im Kanon der Alten Musik. Mit »Mein Meid, ich hab dich auserwählt« von Arnolt Schlick und dem bekannten alten Volkslied »Ach Elslein, liebes Elselein« boten Viola Blache und Jonas Nordberg auch weltliche Titel in historischen Überlieferungen.
Doch der Donnerstag war vielleicht gleich mehrfach Festanlaß – neben jenem der Veröffentlichung ist es schließlich der Vorabend des Reformationstages gewesen, den Termin, den man bewußt gewählt hatte. »Eil mich, Gott, zu erretten« (SWV 282) von Heinrich Schütz und »Ein feste Burg ist unser Gott« nach Johann Walter und Martin Luther in der Fassung für Orgel von Michael Praetorius waren eine nicht nur angemessene Musikauswahl, sie zündeten zum Festtag sozusagen ein leuchtendes Festlicht an – beeindruckend, wenn man die kleinstmögliche Besetzung bedenkt!
Für Besucher in Torgau könnte es aber auch ohne Konzertanlaß spannend bleiben, denn zuletzt – nach der Tagung – hat man begonnen, eine Wandmalerei über der Orgel freizulegen.
31. Oktober 2025, Wolfram Quellmalz

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