Serenade im Grünen bei strahlendem Wetter
Die Serenade im Grünen mit dem Dresdner Kreuzchor gehört fest zu den Dresdner Musikfestspielen. Der Schloßpark Pillnitz bietet eine einmalige Umgebung und Gelegenheit, den Chor außerhalb seines gewohnten Auftrittsortes und des Rahmens einer Kreuzchorvesper zu erleben. Offenbar haben die Kruzianer, die am Sonntagnachmittag vollzählig antraten, auch Freude daran und nehmen das Arbeitspensum auf – beim Vergleich mit dem Programm der Kreuzchorvesper am Abend zuvor fand sich keine einzige Überschneidung.
Das Motto zur Serenade hieß »Fahren wir froh im Nachen«. So froh das klingt umfaßte es doch die ganze Weite des Themas »Wasser«. Die Idee entsprang der Erfahrung der letzten Jahre mit ihren heißen Sommern und dem damit aufsprießenden Wunsch, das Wasser – den Quell des Lebens – thematisch zu fokussieren. Dazu gehörten neben der frohen Fahrt im Nachen (Giovanni Giacomo Gastoldi durfte das Programm beginnen) manche düsteren Texte. Was allerdings nicht für düstere Stimmung sorgte, aber in manchen Volksweisen nahmen Lilofee (nordböhmisch) oder Königskinder eben kein gutes Ende.
Es gehört derzeit zum Wesen des Kreuzchores, stets ein Vermittler zu sein, noch unterhaltsame Texte bei Serenaden so darzubieten, daß man ihnen musikalisch wie inhaltlich etwas abgewinnen kann. Das »tragische Quartett« schloß daher mit Mendelssohn (nach Heines »Wasserfahrt«) und Brahms‘ »Vineta« (Wilhelm Müller). Sagengestalten, mythische Orte oder der Verlust der Geliebten sind schließlich wichtige Liedthemen.

Felix Mendelssohn Bartholdy im Alter von 12 Jahren, Ölskizze von Carl Joseph Begas, Bodlean Library, Oxford, Bildquelle: Wikimedia commons
Die thematische Annäherung »funktionierte« in viele »Richtungen«: Mit Friedrich Glück (»In einem kühlen Grunde«), Franz Schubert (»Der Lindenbaum«) und Rudolf Mauersberger (»Geh aus, mein Herz«) gab es Titel beliebtester Lieder, wobei der Chor Felix Mendelssohn zu favorisieren schien, der mit gleich drei Werken vertreten war (»Es fiel ein Reif«, »Wasserfahrt« und »Auf dem See«). Großartig war erneut die Verständlichkeit des Chores, wovon auch die Zugänglichkeit bei englischen Texten (»What a wonderful world«, »Summertime« und andere) profitierte.
Die gute Stunde folgte zwar einem »Wasserpfad«, präsentierte darin aber eine große Vielseitigkeit und Flexibilität der Kruzianer, zeigte sein Selbstverständnis und Selbstbewußtsein. Wer die Kreuzchorvespern in der letzten Zeit besucht hat, war nicht überrascht, als extra Programm im Programm das 2022 gegründete Ensemble Sonus Aeternus (Leitung: Gustav Schade) mit 13 Männerstimmen aus den Kruzianerreihen eingeschlossen in den geplanten Ablauf zu erleben, die noch einmal Mendelssohn (»Jägerslied«) und eine (ebenso witzig vorgetragene) Geschichte um einen Torero von Sevilla erzählte – man darf fast sicher annehmen, Sonus Aeternus bald wieder in der Kreuzkirche oder an einem anderen Dresdner Ort zu erleben.
Wer sich zur Serenade »nur« unterhalten wollte, wurde musikalisch ebenso glücklich, verriet der lange Schlußapplaus. Nicht unbedingt, weil er seinen Lieblingstitel gehört hatte, sondern weil der Gesamteindruck einfach stimmte. Und der Lieblingstitel? War es nicht Friedrich Silchers »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten«?
29. Mai 2023, Wolfram Quellmalz
Am 1. Juni (19:30 Uhr, Kreuzkirche) ist der Kreuzchor noch einmal im Rahmen der Dresdner Musikfestspiel zu erleben, danach ist er beim Bachfest Leipzig (16. Juni) sowie in Köthen und Finsterwalde zu Gast (17. und 18. Juni).