Dresdner Barockorchester wirbelt durch die Loschwitzer Kirche
Wenn sich ortsansässigen Künstler und Ensemble wie die Dresdner Hofmusik an den Dresdner Musikfestspielen beteiligen, geben sie in der Regel mehr ab als einen gewöhnlichen künstlerischen Beitrag. Das Dresdner Barockorchester zeigte dies am Freitag in der Loschwitzer Kirche wieder einmal deutlich. Das begann schon damit, daß die Alte-Musik-Experten nicht allein antraten, sondern sich zum bekannten Kern des Orchesters weitere Musiker gesellten, die man hier ebensogut kennt, zum Beispiel aus dem Collegium Marianum. Denn Jana Semerádová, die das Prager Ensemble leitet und hier als Solistin die gleiche Funktion übernahm, hatte ein paar von ihnen mitgebracht.
Im Mittelpunkt stand Johann Joachim Quantz, dessen 250. Todestag wir in diesem Jahr begehen. Lange Jahre hatte er in Dresden verbracht, spielte Oboe und Violine (!) in der Sächsischen Hofkapelle. Berühmt wurde er schließlich für seine Flötenwerke und die von ihm geschriebene Schule.

Jana Semerádová (Photo: © Petra Hajska) und das Dresdner Barockorchester (Photo: Dresdner Barockorchester)
Wer mehrere Instrumente spielte und später (Quantz wechselte an den Preußischen Hof und wurde Flötenlehrer von Friedrich II.) im freundschaftlich-künstlerischen Austausch mit Dresdens Konzertmeister Johann Georg Pisendel blieb, der konnte wohl mehr als nur virtuose Werke für das eigene Instrument schreiben. Und so trat Jana Semerádová auch nicht als vor dem Ensemble stehende Solistin und Dirigentin auf, sondern stand als Prima inter pares mittendrin, wurde von ihrer Kollegin Miriam Kaczor ebenso flankiert wie von den Oboen Luise Haugks (Dresden) und Tereza Samsonovas (Prag). Drei Concerti von Quantz (QV 6:6, 5:45 und 6:8) zeugten von der großen Bandbreite der Gestaltung und einer vitalen Vielfalt – selbst wenn die Beteiligten de facto gleich bleiben, waren die Rollen doch verschieden, und so rückten die Oboen auch einmal nach hinten, um den Tuttiklang zu färben. Virtuosität und Italienità (seine Reisen hatten Johann Joachim Quantz unter anderem nach Italien geführt) überraschten an sich also nicht, begeisterten dafür in der mustergültigen Ausführung und im stimmigen Miteinander der Musiker, die sich zu einem Ensemble gefügt hatten. Jana Semerádová führte es mit leichter Hand und konnte sich auf den Solopart konzentrieren. In der Folge der Werke durfte jeder entscheiden, was denn nun schöner oder beeindruckender sei – das filigrane Glitzerwerk der schnellen Sätze oder das alla Siciliana aus QV 6:6, das in seiner Kantabilität selbst die Nachtigallen verstummen ließ. Allerdings wurde es zum Abschluß noch einmal vom betörend schönen Amoroso im letzten der Concerti (QV 6:8) überboten!
Den Werken Quantz‘ standen ein Concerto Georg Philipp Telemanns (TWV 53:h1) und eine Sinfonia von František (Franz) Benda gegenüber. Bei Telemann blieb die Nähe zur Suite und zum tänzerischen Gestus unverkennbar. Neben der sinnlichen Ausgestaltung wartete sie mit einem Duo von Flöte und Laute (Stefan Maass) auf Augenhöhe auf und nahm in der Kombination von Dolce und einem samtig gezeichneten Allegro bereits manches von Quantz‘ Amoroso voraus. Bendas Sinfonia stand Pate für die Fähigkeit der Musiker, filigrane Soli-Tutti-Verbindungen ebenso darzustellen wie einen kernigen Ensembleklang.
10. Juni 2023, Wolfram Quellmalz