Sprachliche Wurzeln tragen Zeichen der Verständigung bereits in sich

Ausstellung von Lieselotte Theil-Hurshell im Leipziger Ariowitsch-Haus

Vergangene Woche führten uns verschiedene Gründe nach Leipzig. Einen Tag vor Eröffnung der Ausstellung ALEF-BET IWRI im Ariowitsch-Haus konnten wir die Gouache-Zeichnungen von Lieselotte Theil-Hurshell vorab wiedersehen – es war wie ein Treffen mit alten Freunden. Denn die NMB hatten bereits über die erste Präsentation der Bilder in der Dresdner Kreuzkirche berichtet (Sommer 2022: https://neuemusikalischeblaetter.com/2022/09/01/zeichen-fur-versohnung-und-verstandigung/). Sie nun wiederzusehen, war nicht nur deshalb interessant, weil die Erinnerung noch frisch, an einige der Zeichnungen besonders intensiv war, sondern auch, weil der Zusammenhang allein durch den Ausstellungsraum und dazu die Jahreszeit ein anderer geworden war. Man mag meinen, Bilder sähen doch im Frühling oder Sommer nicht anders aus als im Winter oder Herbst, und doch meinen wir, daß gerade die sinnliche Erfahrung von Objekten, Situationen, Kunstgegenständen, wesentlich von unserem inneren Seelenzustand abhängt. Und der ist an unterschiedliche Faktoren auszumachen, an einem »kühlen, grauen« Tag anders als an einem »überhitzten, bunten«.

Landesrabbiner Zsolt Balla und Lieselotte Theil-Hurshell bei der Eröffnung, Photo: © Efim Kerzner

Überhaupt – verändern sich Freunde? In bezug auf Menschen stimmt dies sicherlich. Die Zeichnungen hingegen hatten sich – de facto – natürlich nicht in einem künstlerischen oder physikalischen Sinne geändert, und doch scheinen manche der »alten Freunde« etwas anderes als im vergangenen Spätsommer. »Scheinen« – der Schein hängt vom Licht ab, von Helligkeit und Farbe, vom umgebenden Raum und dem Gegenüber (bzw. dem daneben angeordneten Bild). Im Leipziger Ariowitsch-Haus hängen sie ganz anders als in der Kreuzkirche. In zwei Reihen läßt sich das Jüdische Alphabet lückenlos »ablaufen« – ein Moment und eine Gelegenheit, sich die Geschichten erzählen zu lassen. Denn jeder Buchstabe ist nicht nur ein graphisches Symbol, er hat auch inhaltlich symbolische Bedeutung sowie einen zugeordneten Psalmtext. In der hellen, offenen Atmosphäre des Ariowitsch-Hauses wirkt nun alles noch ein wenig frischer. Kein Wunder, wenn die Ausstellung im Rahmen der Jüdischen Woche in Leipzig (noch bis zum Sonntag / 2. Juli) unter den vielen Veranstaltungen bereits zu den wichtigsten gezählt wird (unter anderem in der Auswahl von sieben Programmen der Jüdischen Woche in der Leipziger Volkszeitung vom 22. Juni).

Das Trio Yamamura-Litsoukov-Orban, Photo: © Efim Kerzner

Die Ausstellung wurde am 21. Juni mit einem Grußwort von Küf Kaufmann, der Direktor, Vorstandsvorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig und einer Rede von Dr. Thomas Feist (Beauftragter der Sächsischen Staatsregierung für Jüdisches Leben) eröffnet. Darüber hinaus sprachen Bundesmilitär- und Landesrabbiner Zsolt Balla sowie der Leiter des Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland Dr. Ittai Joseph Tamari. Ein Trio mit Musikern der Neuen Jüdischen Kammerphilharmonie Dresden begleitete das Programm mit Musik von Mieczyslaw Weinberg und Ferdinand von Hiller. Die Zeichnungen können auch noch in den folgenden Wochen und bis zum 30. September im Ariowitsch-Haus in Leipzig (Hinrichsenstraße 14) betrachtet werden.

29. Juni 2023, Wolfram Quellmalz

https://lieselotte-theil-hurshell.de/

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