Hille Perl, Christine Schornsheim und Michael Freimuth erkundeten den Musikalischer Parnass
Das Parnass-Gebirge hat verschiedene mythologische Bedeutungen, unter anderem als den Musen geweihter Berg. Johann Caspar David Fischer widmete ihm innerhalb seines umfangreichen (überlieferten) Œuvres eine Sammlung von neun Suiten für Tasteninstrumenten, die er seinen »Musikalischen Parnassus« nannte. Zwei Pretiosen daraus gab es gestern im Speisesaal (Sommerrefektorium) des Klosters Strahov (Strahovský klášter) in Prag zu hören.
Das Alte-Musik-Fest Letní slavnosti staré hudby hatte zum dritten Konzert des Sommers eingeladen. Diesmal war kein festes Ensemble zu erleben, sondern drei Solisten, die allein, im Duo sowie im Trio auftraten: Hille Perl ist längst zur Gambenkönigin avanciert, die bereits eine Generation von Nachfolgern inspiriert und beeinflußt hat. Ihr zur Seite waren Christine Schornsheim, die ein besonders sinnliches und mit reichem Klang ausgestattetes Cembalo spielte, sowie der Musikforscher und Lautenist Michael Freimuth, der zwei seiner Instrumente mitgebracht hatte: eine Knickhalslaute für das solistische Spiel sowie eine Theorbe für die Begleitung.

Ins Spiel vertieft …: Michael Freimuth (Laute), Christine Schonrheim (Cembalo), Hille Perl (Viola da Gamba), Photo: Letní slavnosti staré hudby, © Petra Hajska
Das Programm war nicht nur den Komponisten nach abwechslungsreich, auch die Besetzung war von Stück zu Stück verschieden. Johann Schenks Sonate a-Moll (Opus 9, Nr. 2) führte gleich mit dem ersten Satz vor, was Alte Musik vermag – sie berührt das Herz unmittelbarer als jede andere Form der Musik! Das erste Adagio glich Versen der Liebeslyrik. Mit Munterkeit ging es durch die flinkeren Sätze, der Basso continuo nahm gestaltvoll und golden den großen Saal ein, mehr noch als Corrente und Giga bezauberte die Gesanglichkeit des zweiten Adagios. Dabei erwies sich die Gambe gerade in tiefen und ruhigen Gefilden als treffsicher, in luftiger und virtuoser Höhe hatte Hille Perl an diesem Tag ein wenig mit der Intonation zu kämpfen, schien weniger frei.
Kleine, funkelnde Höhepunkte waren die solistischen Beiträge von Michael Freimuth, der im ersten Teil das Capriccio D-Dur (SW 215) von Samuel Leopold Weiss spielte und nach der Pause das geschwisterliche Menuett D-Dur (SW 216) nachfolgen ließ. Wobei schon das melodische Stimmen ein Erlebnis war, das dafür sorgte, daß sofort Ruhe in den Saal einzog.

… und mit Spaß dabei: Michael Freimuth (Laute), Christine Schonrheim (Cembalo), Hille Perl (Viola da Gamba), Photo: Letní slavnosti staré hudby, © Petra Hajska
Neben der silbrig-brillanten Laute war das Cembalo von Christine Schornsheim ein Hauptdarsteller. Es war in gleich zwei Sonaten Johann Caspar David Fischers zu hören, die wiewohl vermeintlich ähnlich in der Anlage, eine ganz unterschiedliche Gewichtung hatten. Auf ein knappes, jedoch arkadisches Präludium in der Solosuite »Melpomené« folgte eine Courante, die Christine Schornsheim mit Delikatesse und Eleganz zelebrierte. Die Steigerung bis zur Giga meisterte sie mühelos und mit freiem Atem. Die zweite Suite, der Muse Urania gewidmet, begann mit der Toccata sogar noch energetischer, ohne dabei an Eleganz zu verlieren, steigerte sich um einige Grade weiter – der Höhepunkt war eine Passacaglia, in der sich Singstimme und ostinater Baß in nichts nachstanden – dem Jubel des Publikums nach war dies der Gipfel, nicht nur des Parnass‘, sondern des Abends (dicht gefolgt von Weiss‘ Menuett).
Was die anderen Werke und Interpretationen nicht abwerten darf. Denn gerade in der kon-genialen, flexiblen Verbindung der drei Spieler lag ein hoher Reiz, der sich im Duett ebenso entwickelte, wie er à trois noch einmal musikalisches und unterhaltendes auf hohem Niveau verband. Etwa in Conrad Höfflers Suite Nr. 5 d-Moll oder Marin Marais‘ »Le Badinage«, »Le Labyrinthe« sowie »Les Folies d’Espagne« – eigentlich überraschte nur, daß ausgerechnet Hille Perl kein Solostück vortrug. Um so schöner und dem – wie gesagt temporären, nicht festen – Ensemble gemäß war die Zugabe, das Allegro aus der Triosonate C-Dur (BWV 529) von Johann Sebastian Bach, bei dem die Stimmen, die sonst Hände und Füße eines Organisten beschäftigen, sehr ausgewogen auf Gambe, Cembalo und Laute übertragen waren.
28. Juli 2023, Wolfram Quellmalz
Der Sommer der Alten Musik in Prag Letní slavnosti staré hudby geht noch bis zum 8. August und lockt gleich morgen mit einer Ballettaufführung im Kulturzentrum Vzlet.