Vielfalt der Orgel

Holger Gehring beim Orgelsommer in der Dresdner Kreuzkirche

Für die vorletzte Ausgabe des Orgelsommers übernahm der Initiator Holger Gehring gestern selbst die Manuale und Pedale seines Dienstinstrumentes und spielte am Sonnabendnachmittag bei freiem Eintritt für ein wieder großes Publikum. Dabei spannte der Kreuzorganist dramaturgisch einen weiten Bogen zwischen 17. / 18. und 20. Jahrhundert und ließ am Beginn Nicolaus Bruhns großartiges Praeludium e-Moll strahlen. Die Bezeichnung »Dramma per organo« trifft es dabei wohl eigentlich besser, denn »Praeludium« ist ein völlig unzureichender Titel, folgt das Werk doch einem narrativen Faden (zum Orpheus-Mythos), der auf Fugen und Dialogen aufbaut. Dem Glitzern des Oberwerks stand das Funkeln des Hauptwerks gegenüber, im Pedal fand sich ein bodenloser Baß – prachtvoll!

Flor Peeters, Bildquelle: Wikimedia commons

Dagegen wirkte Johann Sebastian Bachs vierte Triosonate (e-Moll, BWV 528) zunächst geradezu mild. Sie nahm die Zuhörer mit ihren Spielfiguren ein, dem Andante als leichtem Ruhepunkt. Gleichwohl – »mild« und »leicht« soll nicht auf mangelnde Charakterstärke schließen lassen – verflochten sich hier doch ebenso Themen in Praeludium und Fuge bzw. Lied. Das Un poc’ Allegro ließ Holger Gehring hell schimmern.

Mit dem Wechsel bzw. Zeitsprung um gut 250 Jahre und der Méditation (Opus posthum) von Maurice Duruflé blieben sowohl die Helligkeit als auch der Lichtschimmer bestehen und durften sich auf besondere Art ausbreiten. Trotzdem blieb das Werk quasi »konkret« – nicht ein irisierendes Farb- oder Stimmungsspiel war dominierend, Holger Gehring ließ die Liedmelodie der Meditation vorherrschen.

Und wieder folgte ein Umschwung: Nach dem Wechsel der Jahrhunderte zuvor folgte nun mit der Suite modale (Opus 43) von Flor Peeters ein Werk, dessen Kontrast in Helligkeit wie Chromatik im Vergleich zu Duruflé zunächst grell schien. Die formal klassischen Sätze (Koraal, Scherzo, Adagio und Toccata) setzten das Funkeln des Beginns fort – jedoch in einer modernen, höchst anregenden und inspirierenden Weise – die fast spektakuläre Toccata darf sich durchaus mit jener aus Charles-Marie Widors fünfter Orgelsinfonie vergleichen lassen.

13. August 2023, Wolfram Quellmalz

In der kommenden Woche wird der Orgelsommer in der Dresdner Kreuzkirche mit Markus Kaufmann (Leipzig) abgeschlossen.

https://www.kreuzkirche-dresden.de

Spendenaufruf für die Kirche Großröhrsdorf und aktuelle Informationen:

https://www.kirche-grossroehrsdorf.de/

Hinterlasse einen Kommentar