Knittern, knistern, rascheln

Dresdner Philharmonie spielt Recycling-Konzert zwischen interessant und fragwürdig

Wenn Robert Schumann schrieb, ein neues Werk sei »merkwürdig«, dann meinte er damit nicht »komisch«, sondern im Wortsinne »würdig, bemerkt zu werden«. So etwa könnte man sich Gregor A. Mayrhofers Konzert für Recycling-Percussion und Orchester nähern. Der Komponist wirft zur Erklärung des Werkes zunächst die Gegenthese auf, die Klassik würde meist als »Hochglanzkultur« wahrgenommen, um den unterstellten Gegensatz dann als Ausgangspunkt für seine Komposition zu nutzen. Etwas fragwürdig (würdig, gefragt zu werden) darf man auch den Programmhefttext interpretieren, Kunst sei nach gängigem Verständnis autonom und habe keinen Zweck. Zeigen Historie und Erfahrung, daß es durchaus Musik bzw. Kunst gibt, die auf einen bestimmten Zweck zielt oder – man denke nur an liturgische oder weltliche, festliche Musik, ein bestimmtes Programm hat. Besteht nicht im Moment der Inspiration (beim Schöpfer wie beim Betrachter oder Zuhörer) ein Zustand der Beeinflussung, der »Autonomie« ausschließt? Ist Kunst nicht ad hoc ein Spiegel der Gesellschaft, der Geschehnisse und Zustände?

Nebenbei brachte das Programm der Dresdner Philharmonie am Sonnabend zwei Werke wieder, die gerade vor wenig mehr als einem Jahr erklungen waren: Charles Ives’ sinfonisches »The unanswered Question« sowie Ludwig van Beethovens »Pastorale«. Gerade im Falle von Ives überraschte die so baldige Wiederholung, war jedoch so willkommen wie passend. Dirigent Duncan Ward ließ die Streicher schlanke, absteigende Linien zeichnen, mit der Trompete hinter der Bühne und luziden Holzbläsern stellte sich der Eindruck von Weite ein. Das Recycling-Konzert schloß sich übergangslos an, greift es doch nicht nur Ives‘ Gestus, sondern Motive auf, die am Ende erkennbar durchschimmerten. Außerdem waren noch manche Werbemelodie und anderes versteckt, hatte der anwesende Komponist in einer kurzen Einführung erklärt. Seine Idee lag darin, den materiellen Konsum einerseits mit Folien, Kaffeekapseln und ähnlichem vom Müll gesammelten Resten darzustellen und mit dem Konsum bzw. Recyceln von Musik zu verbinden. Das verursachte allerlei Geraschel und Geknister, an dem sich auch Orchestermusiker beteiligten. Nicht immer war das schlüssig, die herumfliegenden Wasauchimmereswar (hoffentlich nichts Schmutziges aus dem Müll) sorgten hier und da für Unruhe und Gelächter im Publikum.

Der Komponist Gregor A. Mayrhofer, Photo: © Urban Ruth

Dabei barg das Werk durchaus einen Reiz. Zumindest, wenn man sich vom Agitativen zu lösen und die herumwirbelnden Teilchen ausblenden konnte. Schlagwerkerin Vivi Vassileva wirbelte selbst herum, sorgte auf (ziemlich sauberen) Blumentöpfen für anmutige Glockentöne und erspielte sich mit einem Parcours auf und mit Plasteflaschen (solistisch als Kadenz sowie auf einem Recycling-Marimbaphon) den spontanen, ehrlichen und verdienten Applaus mitten im Stück. Auch thematisch war es hier und da spannend, soweit man in das Werk eintauchen konnte und wollte. Was bleibt also von diesem merk-würdigen Stück? Einige interessante Aspekte, aber zu wenig Substanz und zu viel Chichi. (Und ehrlich: ich habe noch nie Kaffepads benutzt und werde es auch jetzt nicht tun.)

Wie paßte Ludwig van Beethovens sechste Sinfonie dazu? Ist sie wirklich nur geschrieben nach dem Erleben, dem Einfluß (der Inspiration) auf dem Lande? Oder als ausgleichender Gegenpol zur zeitgleich entstandenen fünften? Duncan Ward ließ die Philharmonie pastoral in gediegenem romantischen Farbton schwelgen und sorgte mit Soli (Flöte: Marianna Julia Zolnacz) sowie einem dramaturgisch geschliffenen Bogen (vor allem dritter bis fünfter Satz) für einen ausgewogenen, man möchte sagen nachhaltigen Eindruck.

10. September 2023, Wolfram Quellmalz

Am kommenden Wochenende sind Krzysztof Urbański (Dirigent) und Boris Giltburg (Klavier) zu Gast bei der Dresdner Philharmonie. Auf dem Programm stehen Sergej Rachmaninows erstes Klavierkonzert sowie Peter Tschaikowskis vierte Sinfonie.

https://www.dresdnerphilharmonie.de

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