Andacht und Tanz

Capricornus Consort Basel zu Gast bei den Silbermann-Tagen

(Wegen der vorrangigen Berichterstattung für die Tageszeitung erscheinen die Artikel zu den Silbermann-Tagen verspätet, sind aber ausführlicher.)

Ein Orgelkonzert ohne Orgel – geht das? Es geht! Peter Barczi hat für sein Capricornus Consort Basel ein ganzes Programm mit Orgelwerken Johann Sebastian Bachs bearbeitet. Am Freitag vergangener Woche verzückten sie das Publikum in der Chemnitzer Johanniskirche.

Früher waren die Silbermann-Tage bereits regelmäßig in Chemnitz zu Gast. Vielmehr noch in Karl-Marx-Stadt, doch der letzte Besuch liegt schon etwas zurück. In der Amtszeit des Freiberger Domorganisten als Künstlerischem Leiter war es nun das erste Mal – aber sicher nicht das letzte, darf man vermuten. Fallen in zwei Jahren doch die nächsten Silbermann-Tage mit dem Jahr der Europäischen Kulturhauptstadt in Chemnitz zusammen.

Das Capricornus Consort Basel in der Chemnitzer Johanniskirche, Photo: NMB

Geht man in der Zeit noch einmal weiter zurück, findet sich in der Johanniskirche sogar eine originale Silbermann-Orgel verzeichnet (Opus 18). 1721 / 22 eingerichtet, wurde das Instrument später von Johann Gottlieb Trampeli um ein Oberwerk erweitert, bereits 1879 allerdings ausgebaut. Über Umwege gelangte es später nach Bad Lausick, wo man es heute noch in der St.-Kilian-Kirche bewundern kann. In der Chemnitzer Johanniskirche schmückt dagegen eine imposante Jehmlich-Orgel die Westseite.

Doch die kam am Freitagabend gar nicht zum Einsatz, auch wenn das Capricornus Consort Basel nicht ganz auf eine Begleitorgel verzichten konnte. Für das Continuo genügte aber ein kleines Truheninstrument. Mit Ausnahme der Theorbe waren alle übrigen Stimmen einfach durch Streicher besetzt. Also ein wenig umgedrehte Verhältnisse – ein kleines Ensemble übernimmt die Stimmen der Orgel, die ihrerseits oft ein ganzes Orchester ersetzen kann und in ihren Registern viele Instrumente von Flöte und Cornet bis zu den Streichern abbildet.

Das Resultat war verblüffend – einerseits enthielt es hoch virtuose oder tänzerische Werke, dann wieder solche, deren Andacht man gar nicht mit einem Applaus unterbrechen wollte. Bei manchem spürte man den italienischen Geist, der Bach vielleicht beflügelt hat, als er Vivaldi studierte, etwa im Vivace (1. Satz) aus der Triosonate G-Dur (BWV 530), die hier wie ein Concerto á due Violin klang. Noch frappierender fiel der Effekt im Pièce d’Orgue (BWV 572) aus, dessen Ende an Vivaldis Winter erinnerte.

Werke, die wiederum besonders von der Struktur bestimmt waren, verblüfften nicht minder. Viele hatten sicher das Präludium Es-Dur aus BWV 552, eines der bekanntesten Orgelwerke Johann Sebastian Bachs, schon oft gehört, um so spannender war es zu erleben, wie sich die Stimmen nach und nach gemeinsam mit dem Baß fügten! Die Phantasie & Fuge g-Moll (BWV 542) dagegen schien ungeahnt modern, fast wie eine Caprice oder Partita von Eugène Ysaÿe!

Solcherlei Freude und Ergötzlichkeit folgte nicht zuletzt aus dem mustergültigen Zusammenspiel des Capricornus Consort Basel – eine Orgel zu ersetzen, erfordert nicht nur eine saubere Stimmführung, sondern auch einen gemeinsamen Atem, Rhythmus und Geist.

Oder waren vielleicht doch die Choralvorspiele (unter anderem »Oh Mensch, bewein dein Sünde groß« BWV 622 und »Herr Jesu Christ, dich zu uns wend« BWV 709) die schönsten Stücke des Abends? Immer wieder trat Eva Bohri mit ihrer bis in die Altlage wunderbar warm klingenden Barockvioline neben Leiter Peter Barczi in den musikalischen Vordergrund. Ihr Spiel kam der menschlichen Stimme in der Tat ungemein nahe – näher als Gottfried Silbermanns Orgeln vielleicht?

Albrecht Koch hatte das Konzert mit besonderer Vorfreude als einen seiner persönlichen Höhepunkte angekündigt und versprochen, Peter Barczi werde diese Erwartungen sicher nicht enttäuschen. Wer es verpaßt hat, kann das Programm glücklicherweise fast genauso auf CD nachhören, wie es bei den Silbermann-Tagen gespielt worden ist.

9. September 2023, Wolfram Quellmalz

CD-Tip: Capricornus Consort Basel, Peter Barczi (Barockvioline und Leitung): »New Concertos – Organ Works on Strings«, Orgelwerke von Johann Sebastian Bach in Bearbeitungen, erschienen bei Christophorus

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