Darauf einen Cappuccino!

Junges Musikpodium Dresden-Venice schließt Woche in Italien ab

Daß man die Qualität eines Konzerts oder einer Opernvorstellung in einer Folge von Aufführungen immer noch steigern kann, ist eine Erfahrung, die man an sich kennt. Es ist aber faszinierend, ganz aus der Nähe zu erleben, wie so etwas entsteht. Am Freitag und Sonnabend schloß das Junges Musikpodium Dresden-Venice (JMP) seine Reise ins Veneto mit Konzerten in Vicenza und Luvigliano ab. Wie immer war das JMP nicht in irgendwelchen Konzerthäusern, sondern in besonderen. Das Teatro Olimpico in Vicenza, von Andrea Palladio zwischen 1580 und 1585 errichtet, gehört wohl zu den spektakulärsten Theaterbauten der Geschichte. Die Bühne – vollständig aus Holz gebaut! – stellt eine antike Stadt dar, die mit ihren reichen Verzierungen (Schnitzereien) ebenso überrascht wie mit ihrer perspektivischen Gestaltung. Zwar mag man manches davon von anderen Theaterbauten oder aus der Illusionsmalerei kennen – derart beeindruckend wie hier erlebt man es jedoch kaum einmal (man möchte fast sagen nie). Selbst wenn man direkt davor auf der Bühne steht, vermittelt sich noch der Eindruck einer ungeheuren Tiefe! Von oben grüßen zahlreiche Figuren aus Portalen – jede von ihnen hat eine Bedeutung und eine Geschichte zu erzählen! Nebenbei – Jean-Pierre Ponelle drehte hier 1986 seine Opernverfilmung von »Mitridate, re di Ponto« (Wolfgang Amadé Mozart). (Auch nebenbei, aber für den Vicenza-Besucher wichtiger: im Café, das zum Areal gehört, bekommt man einen köstlichen Cappuccino – allein der wäre schon eine Anreise wert!)

Das JMP im Hof des Teatro Olimpico (das Café befindet sich gleich vorn rechts). Photo: NMB

In den Proben wurde mittlerweile sehr auf den Punkt gearbeitet, manchmal begnügte sich Maestro Massimo Raccanelli mit dem kurzen Anspielen einzelner Stücke oder Passagen, als Vergewisserung und Bestätigung dessen, was bereits erarbeitet war. Routine kam deswegen noch lange nicht auf, eher gab es extra Aufregung: in Vicenza fehlte nicht nur eine Oboe, auch Maestro Ivano Zanenghi (Laute) verließ plötzlich die Bühne. Warum? Am Instrument hatte es einen Defekt gegeben, ein kleines Korkteil war zerbrochen. Der an sich wertvolle Naturstoff ist natürlich längst nicht so kostbar wie manch andere edle Hölzer, wird aber gebraucht, damit Klappen funktionieren – richtig schließen zum Beispiel. Und klappern sollen sie je nicht, es heißt ja »Klappe« und nicht »Klapper«. Was also tun, so kurz vor dem Konzert? Glücklicherweise gab es vor Ort einen Instrumentenbauer, der sich mit Barockoboen auskennt. Also machten sich Nathaniel Heine und Ivano Zanenghi auf den Weg zu ihm, eine viertel Stunde entfernt nur. Der Instrumentenbauer konnte glücklicherweise helfen, schnell und sogar kostenlos – alles wieder tutti paletti!

Die Oboe beim Instrumentenbauer (Photo: Nathaniel Heine) und Nathaniel Heine mit dem reparierten Instrument (links, Photo: NMB)

Das vom ortsansässigen Rotary-Club ausgerichtete Konzert war eines der wohl beeindruckendsten des JMP (offizielle Photos durften während des Konzerts nicht gemacht werden, Bilder der Proben folgen im Heft der NMB). Doch als ob das nicht genügte, fuhren die jungen Musikerinnen und Musiker am nächsten Tag zu einem der idyllischsten Anwesen in der Gegend, der Villa dei Vescovi in Luvigliano. Ringsum die Berge, jedoch keine schroffen, eisgekrönten Häupter wie in den Alpen, sondern malerisch geformte Bergrücken und geschwungene Hänge, an denen Kirchen (deren Glocken allerdings oft etwas blechern klingen im Vergleich mit den hiesigen) und andere Palazzi liegen …

Terrasse der Villa dei Vescovi, Photo: NMB

Die Polyglotterie, die wir schon im ersten Teil des Reiseberichts bemerkten, ist unter den Musikschülern übrigens recht verbreitet, Mehr- und Vielsprachigkeit keine Seltenheit. Nicht zuletzt, weil der Austausch untereinander so rege war, konnten vor allem die einen ihr Deutsch und die anderen ihr Italienisch (die beiden größeren Gruppen der Teilnehmer) aufbessern.

Nach dem letzten Konzert hieß es dann aber Abschied nehmen von Italien. Hier und da verschwand die Papiertüte eines ortsansässigen Ladens mit regionalen Produkten aus Asolo im Reisegepäck, dann ging es Sonntagvormittag auf eine lange Busfahrt – Ankunft in Dresden: früh am Montagmorgen. Gleich heute abend gibt es das erste Konzert hier (Bericht folgt).

18. September 2023, Wolfram Quellmalz

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