Matthias Mück im Dresdner Orgelzyklus
»Thema mit Variationen« war das Programm am Mittwochabend in der Kreuzkirche überschrieben. Gast Matthias Mück (Kathedrale Magdeburg) stand zuvor im »Gespräch unter der Stehlampe« bereit, über seinen Alltag als Organist und Orgelsachverständiger zu berichten – manches ist im Anhaltischen anders als bei uns, die Orgellandschaft nicht so ausgeprägt, gleichwohl gibt es großartige Instrumente. Allerdings ist die Besiedlung im ländlichen Raum gering, der Anteil der katholischen Bevölkerung klein. Zu Matthias Mücks Aufgaben gehörte es durchaus schon, Orgeln in Kirchen, die aufgegeben werden sollten, zu besichtigen, um zu entscheiden, was mit ihnen geschieht, umsetzen oder verkaufen zum Beispiel. Doch soll dies kein generelles Bild prägen. Orgelkonzerte erfahren schließlich auch in Sachsen-Anhalt Zuspruch. An Sonntagnachmittagen im Magdeburger Dom werden bis zu 600 Besucher erwartet, zu einer normalen Orgelmusik wohlgemerkt!

Christian Heinrich Rinck, historischer Kupferstich von L. Becker (1832), Bildquelle: Wikimedia commons
In seinem Dresdner Programm verband Matthias Mück norddeutsche Orgeltradition mit italienischen Einflüssen sowie Romantik und spiegelte ein Thema schließlich improvisatorisch bis ins Jetzt.
Dieterich Buxtehudes Toccata in d (BuxWV 155) erscheint zumindest anfangs ein wenig wie Bachs Toccata aus BWV 565, nur auf den Kopf gestellt (wobei in diesem Fall Bach diesen Kopfstand gemacht haben müßte, denn er war der Nachgeborene, sein Werk erschien später), wartet aber bald mit Variationen bzw. Fugen auf. Variationen gab es gleich darauf noch mehr: Johann Christian Heinrich Rinck (von dem übrigens die älteste Abschrift zu Bachs BWV 565 überliefert ist) hatte sie im Opus 56 über ein Thema von Arcangelo Corelli angefertigt. Matthias Mück ließ die Fülle barocker Pracht hervortreten, verzierte Violinen, rhythmisch-tänzerischen Schwung und ein nobles Cantabile.
Faszinierend war die Dämmerungsstimmung, die mit Johann Sebastian Bachs Phantasie und Fuge c-Moll (BWV 537) entstand. Die Fuge schien nach und nach Lichter (wie Kerzen) anzuzünden, womit Matthias Mück für einen angenehmen Schimmer sorgte.
Einmal kamen sich Felix Mendelssohn Bartholdy (Thema mit Variationen D-Dur) und Max Reger (Melodia B-Dur, Opus 129 Nr. 4) recht nahe, denn beide waren nicht nur Vertreter der Romantischen Epoche (wenn darin auch recht unterschiedlich), allen beiden Werken wohnte ein Duktus des Liedes ohne Worte inne. Natürlich zeichnet sich Reger durch eine ganz andere Harmonik aus, vor allem aber zeigte sich erneut, daß gerade seine kleineren Werke mehr Beachtung verdienen.
Mit August Gottfried Ritters dritter Orgelsonate (a-Moll, Opus 23) stellte Matthias Mück das Werk eines Magdeburgers vor – Ritter, in Erfurt geboren, war viele Jahre Organist am Magdeburger Dom und Orgelsachverständiger. Die Orgelsonate hatte er dem (gleichaltrigen) Kollegen Franz Liszt gewidmet. Das Komplexe Stück ist nicht nur reizvoll, sondern verband im Vortrag von Matthias Mück symbiotisch pianistische und orgeltypische Elemente. Der zweite Satz erinnerte gar an Liszts »Orgelpredigt« (Légende Nr. 1 St François d’Assise »La prédication aux oiseaux«), später folgten eine Choralverarbeitung und Liedvariationen.
Zum Abschluß improvisierte Matthias Mück nach einem vorgegebenen Thema. Kreuzorganist und Gastgeber Holger Gehring hatte dafür »Heut singt die liebe Christenheit« (EG 143) ausgewählt, das gerade am vergangenen Sonnabend im Rahmen der Vesper zum Michaelisfest erklungen war. Matthias Mück band es in eine klassische Folge charakteristischer Variationen, bei denen sich die Stimmen kunstvoll auf Manuale und Pedale verteilten und wechselten, ließ das Oberwerk kantabel hervortreten und schließlich eine Fuge fröhlich wachsen.
6. Oktober 2023, Wolfram Quellmalz
Am kommenden Mittwoch spielt Domorganist Sebastian Freitag in der Dresdner Frauenkirche.
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