Gelungener Messiah

Studenten sorgen erneut für Belebung der Dresdner Matthäuskirche

MATTHÄUSKIRCHE

Wieder mal gilt es, etwas nachzutragen – am Sonntag schon freuten sich zahlreiche Besucher über einen lebendigen »Messiah« in der Matthäuskirche der Dresdner Friedrichstadt. Nicht zum ersten Mal war sie Quartier, manchmal schon Ausweichquartier, wenn nebenan der Festsaal des Marcolini-Palais zu klein oder nicht verfügbar gewesen ist. Es ist stets ein lohnender Ausflug in die vergessene Friedrichstadt. Zwar wird ihr Bild, wenn man von Westen kommend nach Dresden hineinfährt, durch wenig beeindruckende Nachkriegsbauten geprägt, doch findet sich manches hier, das lohnt. Neben dem Marcolini-Palais, einst ein Lustschloß wie Pillnitz, dann Lazarett und heute zum Krankenhaus Friedrichstadt gehörend, einem historischen Wohnhaus von Caspar David Friedrich ganz in der Nähe, dem einen oder anderen Fassadenbild, das sich bei genauerer Betrachtung als Brücke-inspiriert erweist, sowie neben ein paar wenigen historischen Häuserzeilen eben auch die Matthäuskirche. Hier ruht übrigens Matthäus Daniel Pöppelmann, und – wenn wir einmal dabei sind und es heute an seinem Geburtstag paßt, nicht weit davon Samuel Leopold Weiss (der vielleicht berühmteste Lautenist der Geschichte ist schräg gegenüber auf dem Katholischen Friedhof begraben) …

NICHT DAS ERSTE PROJEKT

Doch zurück zu Messiah. Die NMB hatten bereits einige Male Gelegenheit, Dirigate von Richard Stier zu besuchen. Bisher berichteten wir über Kantaten (nebenan im Marcolini-Palais), ein Weihnachtsoratorium (Herz-Jesu-Kirche Dresden-Striesen) und zuletzt Mendelssohn (Psalmvertonung »Wie der Hirsch schreit«) und Mozart (Requiem KV 626). Das verblüffende dabei ist, daß sich Richard Stier selbst an großen und berühmten Werken nicht »die Finger verbrennt«, sondern offenbar über Feinsinn und ein Gespür verfügt, was wie »geht«.

Aufführung von Georg Friedrich Händels »Messiah« (HWV 56) am vergangenen Sonntag in der Dresdner Matthäuskirche, Photo: Joschua Vlasanek

So auch bei Händels Oratorium. Dafür hatte der Dirigier-Student neben Kommilitonen der eigenen Hochschule (HfM Dresden) Sänger des Dresdner Kreuzchores, des Leipziger Thomanerchores, der Dresdner Kapellknaben und des Windsbacher Knabenchores gewonnen. (Richard Stier stammt aus dem Windsbacher Knabenchor, war zuletzt Assistent bei den Kapellknaben und gehört heute zum Team um Kreuzkantor Martin Lehmann). Als Solisten wirkten Paulina Bielarczyk (Sopran/ Staatsoperette Dresden) sowie die Studenten bzw. Absolventen Anna-Maria Tietze (Alt), András Adamik (Tenor) und Gerry Zimmermann (Baß) mit. Die zweite Sopranistin Marlene Walter (Szene der Hirten mit dem Engel) gehörte gleichzeitig zum Organisationsteam von Richard Stier – neben Termin und Ort, Instrumenten, Chor (etc. etc.) gibt es schließlich einiges, was vorab bedacht werden will, Zeit und Energie kostet.

AUFFÜHRUNG

Und das klappte offenbar nicht nur reibungslos, was pünktlichen Beginn und Ablauf betraf, schon in der Sinfonia wurde deutlich, daß hier gearbeitet worden war. Richard Stier gelang vor allem eine geschlossene, spannungsreiche Wiedergabe. Nicht nur die Tempi waren gut gewählt, immer war vor allem auch der Verlauf sicher und gut gestaltet, also Wechsel von Tempi, gesetzte Pausen, dynamische Steigerungen. Gerade hier – zeigte nicht nur der berühmte »Hallelujah«-Chor – versteht es Richard Stier, ein gleichmäßiges Wachsen (oder Sinken) ebenso darzustellen wie Verse bzw. Strophen für Stufungen zu nutzen. Somit gelangen auch Wechselspiele wie gleich zu Beginn (Tenor »Ev’ry valley« und folgender Chor) ausgesprochen lebhaft, markant und bündig.

Überhaupt klang dieser doch scheinbar »zusammengewürfelte« Chor sehr schön! Das zeigte sich nicht nur im jubelnden »Hallelujah«, sondern gerade bei schlankerer Begleitung wie in »And he shall purify«. Daß hier neben einer Continuoorgel auch ein Cembalo zur Verfügung stand, sorgte für zusätzlichen Farbenreichtum auch in den Piano-Passagen. Das kleine Orchester spielte (im wahrsten Sinn des Wortes) seine Vorteile gut aus und bewies in der Pastorale Geschmeidigkeit und Leuchtkraft.

Auch die vier (bzw. fünf) Solisten zeigten sich sicher (wohl ebenso in der Erfahrung wie durch die Proben) mit den Rollen des »Messiah«. Anna-Maria Tietze stach dabei neben der klaren Verständlichkeit und kantablen Schönheit noch mit emotional besonders treffender und glaubwürdiger Gestaltung heraus, gerade zu Beginn den zweiten Teils, an dessen Ende Gerry Zimmermann seinerseits den Text (»Why do the nations so furiously rage together?« / »Warum entbrennen die Heiden«) mit flammendem Tremolo unterlegte. Wenig später (»Behold, I tell you a mystery«) durfte Händels Musik auch chromatisch geheimnisvolle Schatten werfen.

Noch das abschließende »Amen« war mit einer Einleitungspause wohlgesetzt – da kann man doch nur froh ausschauen, was als nächstes kommen möge …

11. Oktober 2023, Wolfram Quellmalz

Spendenaufruf für die Kirche Großröhrsdorf und aktuelle Informationen: https://www.kirche-grossroehrsdorf.de/

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