Kreuzchorvesper vor der Finnland-Reise
Am Sonnabend standen überwiegend Psalmvertonungen auf dem Programm der Kreuzchorvesper, die diesmal von den Männerstimmen allein vorgetragen wurden. Gerade der aktuelle Jahrgang der Tenöre und Bässe präsentierte sich erneut besonders stark. Dabei waren die jüngeren keineswegs vergessen: abgesehen davon, daß derzeit alle mit den Reisevorbereitungen für die erste Finnland-Tournée (31. Oktober bis 5. November) seit der Pandemie beschäftigt sein dürften, war der Vormittag dem Vorsingen im Kreuzgymnasium gewidmet – die aktuelle Stärke soll schließlich erhalten bleiben.
Die Vesper begann wie seit Beginn der Amtszeit von Kreuzkantor Martin Lehmann mit einem Introitus, einer Uraufführung der aktuellen Residenzkomponistin Agnes Ponizil. Für den 21. Sonntag nach Trinitatis hatte sie unter anderem die Psalmen 119 (»Lehre mich Deine Gebote und laß mich verstehen den Weg Deiner Befehle«) und 19 (»Das Gesetz des Herrn ist vollkommen und erquickt die Seele«) ausgewählt. Erneut lenkte die Betonung geflüsterter Worte zu Beginn auf wesentliche Inhalte. Die Wirkung steigerte sich mit dem Wechsel der Teilchöre und rhythmischen Betonungen (»Zeugnis des Herrn«). Wiewohl Agnes Ponizil eine klare, moderne Klangsprache vertritt, fanden sich vergleichbare kompositorische Elemente in anderen Werken, wie beim folgenden »Herr, unser Herrscher« (Psalm 8) von Johann Staden, der ebenso durch Stimmwechsel und Choraufteilung die Aufmerksamkeit auf bestimmte Zeilen lenkt. Die enorme Qualität des aktuellen Männerchores des Kreuzchores zeigte sich in seiner großen Homogenität und harmonischen Gestaltungssicherheit, wie bei den Wechseln zwischen Chor und Solistengruppe.

Männerchor des Dresdner Kreuzchores in der Vesper am 28. Oktober, Photo: Kreuzkirche Dresden
Vom 17. ging es mit Bernhard Klein musikalisch nun ins 19. Jahrhundert. Die Worte »Der Herr ist mein Hirt« (Psalm 23), hier eindeutig in der Zeit eines Johannes Brahms, erklangen am Ende der Vesper noch einmal im modernen Klangkleid von Noble Cain (»The Lord is my Sheperd«). Die musikalische Vielfalt der Zeiten bis in eine lebendige Gegenwart wie auch der Zugänglichkeit durch Sprachen erweitern die Aussichten auf einen Erfolg der bevorstehenden Chorreise sicherlich.
Mehrfach und ganz unterschiedlich gab es in Vespern zu erleben, wie die Begriffe Raum, Klang und Wirkung in Zusammenhang stehen. Eines der eindrücklichsten Beispiele diesmal war Arvo Pärts »De profundis«. Von der Orgelempore gesungen, durchmaßen einzelne Zeilen sowie Töne von Orgel und Schlagwerk zunächst den Raum, fokussierten gerade durch punktgenaue Vereinzelung, um schließlich zusammenzuwachsen, aus Elementen ein beeindruckendes ganzes werden zu lassen – großartig!
Doch im Männerchor der Kruzianer gibt es auch Solisten – Moritz Naumburger (Tenor) und Morten Graßau (Baßbariton) steuerten zwei berührende geistliche Konzerte (Innocentio Vivarino: Magnificat und Lodovico da Viadana: Cantemus Domino) bei. Begleitet wurden sie von Angela Brandt (Continuoorgel), Marianne von Einsiedel hatte für die Vesper das liturgische Spiel an der großen Orgel übernommen und zu den Soli mit Johann Sebastian Bachs Praeludium und Fuge C-Dur (BWV 547) übergeleitet.
Mit Ludwig van Beethovens »Die Ehre Gottes aus der Natur« und Bachs »Nun ruhen alle Wälder« im Satz von Matthias Bretschneider wandte sich das Programm – quasi als Abendgruß – noch Klassikern im Männerchorrepertoire zu.
Nach der Rückkehr des Kreuzchores von seiner Reise werden die Domchorknaben von Helsinki, die Cantores Minores, zu einem Gegenbesuch nach Dresden kommen. Gemeinsam mit dem Kreuzchor singen sie dann Johannes Brahms Deutsches Requiem (19. November), einen Tag zuvor gestalten sie die Kreuzvesper.
29. Oktober 2023, Wolfram Quellmalz
https://www.kreuzkirche-dresden.de
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