Farben der Stille, Feuer der Einsamkeit

Konzert des Sächsischen Vocalensembles

Nach dem Auftritt in der Leipziger Nikolaikirche kamen das Sächsische Vocalensemble mit seinem Leiter Matthias Jung und die Batzdorfer Hofkapelle am Buß- und Bettag in die Dresdner Annenkirche. Wie so oft hatten sie ein bestimmtes, auf ein Ziel gerichtetes Programm. Diesmal war es ganz dem Komponisten Johann David Heinichen gewidmet. Wieder einmal eine Gelegenheit, eine historische Persönlichkeit kennenzulernen, zumindest ihr Werk oder einen Teil desselben. Denn Heinichen war außerdem Gelehrter, Jurist und Musiktheoretiker. Seine Opern gilt es noch, zu entdecken, am Mittwoch standen fünf Werke der protestantischen Kirchenmusik im Programm. Dieser Teil der Musik am Sächsischen Hof, dann aber für die katholische Konfession, oblag von 1720 bis zu seinem Tod 1729 ebenfalls Johann David Heinichen. Der junge Komponist hatte sich in Leipzig (er besuchte die Thomasschule) aber schon mit Kirchenmusik befaßt. Die überlieferten Werke lassen sich heute (noch) nicht alle eindeutig zuordnen, was die präsentierten Ausschnitte vielleicht um so spannender machte.

Sächsisches Vocalensemble, Photo: Christoph Eckelt

Am Beginn stand mit »Lobe den Herrn, meine Seele« eine Psalmvertonung, deren Lob von Chor und Solisten hymnisch angestimmt wurde. Elisabeth Mücksch hatte sehr kurzfristig die Sopranpartie von der erkrankten Isabel Schicketanz übernommen, Stefan Kunath (Altus), Tobias Hunger (Tenor) und Felix Schwandtke (Baß) vervollständigten das Quartett. Die Batzdorfer Hofkapelle (Konzertmeister: Daniel Deuter) trug mit flexibler Besetzung und allen verfügbaren Solisten zum farblichen Glanz bei – hier und da schimmerte eine Goldkante. Denn selbst ein Basso continuo gewinnt an Kolorit, wenn das Fagott daraus hervortritt und in der Begleitung mit der Orgel parliert. Stimmlich lagen die wichtigsten Passagen zunächst beim glasklaren Altus von Stefan Kunath, doch Heinichen überraschte eben manchmal mit der Form, wenn etwa in »Hebet väterlich empor« die Erzählerstimme vom Tenor auf den Baß übertragen wird.

Auf die Farbpracht von Psalm 103 folgte das dunkle, warme »Mag auch ein Blinder«. Den damit verbundenen emotionalen Wechsel vollführte das Sächsische Vocalensemble souverän, die Stimmung war keineswegs gedämpft, sondern beruhigt. Tobias Hunger bewies nicht nur Sinn für eine geschmackvolle Gestaltung, sondern auch, daß er diese Stimme über einen weiten Umfang, beginnend in Baritonlage, einsetzen kann.

Für einen dramaturgischen Aufschwung sorgte die Kantate »Einsamkeit, oh stilles Wesen«, die im Zentrum des Programms stand und ihm zudem den Titel gab. Sie wird von einer kurzen Sinfonia-Sequenz eingeleitet und wartet mit fugierten Strophen aus, vor allem aber fiel der pastorale Charakter angenehm auf – mit dem Text verband sich der Hirtengedanke ganz wunderbar.

Nach solch (positiver) Aufregung, musikalisch-emotionalem »Aufruhr« war das »Heilig ist Gott, der Herr Zebaoth« (Herkunft / Anlaß nicht sicher, wahrscheinlich im Rang eines Sanctus) eine kontemplative Wohltat vor dem Schluß.

»Meine Seele erhebet den Herren« ist dem Text nach ein Teil des Magnificat, das ja auch in der evangelischen Kirchenmusik seine Bedeutung hat. Dem hymnischen Anfang, vor allem vom Chor ausgelöst, war nun zusätzlich die Pracht eines Orchesterensembles mit Blechbläsern hinzugefügt. Elisabeth Mücksch, die mehr und mehr in ihre Rolle gefunden hatte, fand in den Engelssopran. Auch hier (»Liebster Gott, wie große Dinge«) bereitete ein pastoraler Schimmer mit (noch einmal) bemerkenswert schöner Ostinato-Begleitung für eine besondere Stimmung, Tobias Hunger sorgte mit gediegener Erzählerkultur dafür, daß niemand »abhob« und sich zu sehr in den himmlischen Sphären verlor.

23. November 2023, Wolfram Quellmalz

Das Sächsische Vocalensemble ist am 16. Dezember (Romantische Weihnacht) sowie am Silvestertag (Messiah) wieder in den Annenkirche zu Gast.

https://www.saechsisches-vocalensemble.de

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