Schön, aber ein bißchen halb

Vesper des Dresdner Kreuzchores zum 1. Advent

Es gibt Termine, die sind für den Dresdner Kreuzchor wichtiger als andere und seit Jahren »gesetzt«, mit anderen Worten: Tradition. Dazu zählt auch die Vesper vor dem 1. Advent. Nicht so wichtig wie das Deutsche Requiem im November und das Weihnachtsoratorium oder die Christvesper im Dezember, klar, dennoch nimmt sie einen wichtigen Platz ein, weil es die einzige »normale« Vesper mit dem Kreuzchor in der Adventszeit ist.

Wer am vergangenen Sonnabend jedoch den Kreuzchor erwartete, wurde möglicherweise enttäuscht, denn der Chor trat an diesem Abend im Rahmen seiner Adventstournee im Berliner Konzertaus auf (was ein wichtiger Termin für den Kreuzchor als Dresdner Repräsentanten war, nicht nur hinsichtlich seiner Außenwirkung). In Dresden war eine kleine Auswahl vor allem der Knabenstimmen zurückgeblieben, die jedoch weder alleingelassen wirkten noch klangen – Peter Kopp, mit dem Haus der Kreuzkirche und dem Chor seit Jahren vertraut, hatte den Termin übernommen und dabei die Kooperation mit seinem Dresdner Vocal Concert fortgesetzt.

Bild: Kreuzkirche Dresden

An festlichem Glanz fehlte es ohnehin nicht, dafür sorgten schon der Einzug unter Félix Alexandre Guilmants Marche sur Georg Friedrich Händels »Hoch tut euch auf!«, den Kreuzorganist Holger Gehring auf der Jehmlich-Orgel spielte. Die Kruzianer entzündeten dabei die erste Kerze am Adventskranz.

Musikalischer Kern und auf den 1. Advent verweisend war Johann Sebastian Bachs Kantate »Nun komm, der Heiden Heiland«. Bach hatte sich dem Choralthema mehrfach zugewandt, hier erklang (natürlich) sein Werk aus dem zweiten Leipziger Jahrgang, BWV 62 (zehn Jahre zuvor hatte er eine gleichnamige Kantate, BWV 61, in Weimar verfaßt). Das Philharmonische Kammerorchester Dresden, das nur bei diesem Titel zum Einsatz kam, hob den festlichen Charakter gerade mit Flöte und Oboe leuchtend heraus – am Beginn der Adventszeit, die früher noch eine Fastenzeit war, durfte dieser Beginn (und der Anfang des Kirchenjahres) auch musikalisch gefeiert werden, bevor es zwischenzeitlich stiller und inniger wurde. Die Gestaltung der Solopartien, gerade von Jonas Finger (Tenor) und dem überragenden Andreas Scheibner (Baß), unterstrich diese Freude, Antje Höhne (Sopran) und Kerstin Döring (Alt, beide Mitglied des Vocal Concert Dresden) rundeten den insgesamt guten Eindruck ab.

Den Verlauf der Adventszeit bzw. den Wandel der Zeit(en) und unserer Einstellung zu manchen Ereignissen griff Superintendent Christian Behr auf – er hatte gerade drei Tage zuvor (immerhin nach dem Totensonntag, wie er bemerkte), die ersten Weihnachtsgrüße erhalten. (Zu Bachs Zeiten wohl undenkbar!)

Das Vesperprogramm blieb bei traditionellen Liedern: Im Gemeindegesang erklang »Macht hoch die Tür, die Tor macht weit« (EG 1), wobei die fünf Strophen wechselweise von der Gemeinde und den Chören bzw. zusammen gesungen wurden. Später folgten Max Regers »Unser lieben Frauen Traum« (aus Acht geistliche Gesänge Opus 138) sowie »Maria durch ein Dornwald ging«, eines der berühmtesten Adventslieder überhaupt. Fast so wie es mit der Herkunft (Eichsfeld, 16. Jahrhundert) verbunden ist, erklingt es häufig wie hier im Satz von Günter Raphael. Das a cappella vorgetragene Stück ließ wie auch Felix Mendelssohns »Weihnachten« (»Frohlocket, ihr Völker auf Erden«) doch den Kreuzchor vermissen – dessen Klang ist einfach einmalig und war hier nur teilweise gegeben.

3. Dezember 2023, Wolfram Quellmalz

Bereits am kommenden Wochenende ist der Dresdner Kreuzchor wieder zurück. Dann gibt es an beiden Tagen jeweils 17:00 Uhr den Weihnachtsliederabend.

https://www.kreuzkirche-dresden.de

Spendenaufruf für die Kirche Großröhrsdorf und aktuelle Informationen:

https://www.kirche-grossroehrsdorf.de/

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