Viele Sterne im Advent

Konzert der Dresdner Singakademie mit drei Uraufführungen

Das »Adventsstern«-Konzert gehört zu jenen Traditionen der Dresdner Singakademie, die unter der Leitung von Michael Käppler weitergeführt werden. Dazu zählt mindestens ein Auftragswerk als Uraufführung – in diesem Jahr gab es am Sonntag in der Annenkirche unter dem Titel »An die Sterne« gleich drei. Denn neben einer vom Chorleiter eingerichteten Transkription wurden zwei Arbeiten aus der Komponistenklasse Dresden erstmalig aufgeführt.

Jonas Kerda und Ben Weikelt gehören zu jenen acht- bis neunzehnjährigen »Musikerfindern« der Klasse, die unabhängig von der eigentlichen Schule (in diesem Fall Sächsisches Landesgymnasium für Musik und Hans-Erlwein-Gymnasium) ein Podium für junge Komponistinnen und Komponisten bietet, die sich unter Anleitung, aber mit viel Freiheit, im gegenseitigen Austausch und sicher auch mit Freude der Umsetzung von Ideen in Musik widmen. Jonas Kerda und Ben Weikelt hatten sich dem Motto »An die Sterne« bei vergleichbaren Voraussetzungen (zum Beispiel Möglichkeit der Besetzung) unterschiedlich gewidmet. Jonas Kerda extrahierte aus Gedichten von Ulrike Schuster, die den Glauben an den Stern, der Wünsche erfüllt, einen Text »Sternenbröckeln«, um auf den Glauben bzw. die Frage danach zu fokussieren. Mit Orgeleinleitung und dunklen Streichern spannte er einen musikalischen Nachthimmel auf, übertrug dem Chor Betonungen, Wendungen, die einen Gegensatz zum Beispiel im hervorgehoben »Damals« festsetzten. Er dekonstruierte den (Sternen)glauben nicht, ließ das Ende offen.

Photo: NMB

Ben Weikelt wies mit seiner Textauswahl (»Missing Sunshine« von Marlene Böde) darauf hin, daß neben den Sternen am Nachthimmel die Sonne der für uns wohl wesentlichste Stern ist, ihr Licht und ihre Wärme unverzichtbar für Leben. Der im Text verankerten Selbstbefragung, die sich vom Bewundern über das Tanzen Dunkelheit und Sonne zuwendet, hat er minimalistische Wellenmotive zugeordnet, Betonungen ins Orchester (Violoncello, Kontrabaß) übertragen und für die Schlußzeilen einen lichten Akkord, in dem sich die Stimmen von Chor, Orchester und Orgel mischen, geschaffen.

Mit einer Transkription für Chor und Streichorchester zum Adagio aus Anton Bruckners siebenter Sinfonie, der dritten Uraufführung des Abends, meldete sich auch Michael Käppler, der Leiter der Singakademie, zu Wort. Angeregt hatten ihn die Arbeiten des Musikwissenschaftlers Clytus Gottwald, der Anfang des Jahres verstorben war. Der Übertragung hat Michael Käppler Texte Andreas Gryphius‘ unterlegt (»Über die Geburt Jesu« sowie aus dem Te Deum), die er stark chorsinfonisch auffaßt. Sowohl im »dunklen« Beginn wie auch im teilweisen Verschmelzen von Chor und Orchester gab es dabei Berührungspunkte mit den zuvor gehörten Werken. Freilich machte der opulente Bruckner-Klang, der erhalten blieb, das Verstehen des Textes nicht immer leicht. Das ist allerdings durchaus ein Gattungsmerkmal solcher sinfonischer Stücke.

Insofern »bediente« Josef Gabriel Rheinberger mit seiner Kantate »Der Stern von Bethlehem« ein sehr anderes Genre. Und hier soll nun  noch einmal betont werden, daß sich der Chor aus Großem Chor, Kammerchor und dem erst neu ins Leben gerufenen Jugendkammerchor der Singakademie zusammensetzte und daß dieses klangschöne Ensemble von der Sinfonietta Dresden und Manuel Rotter an der Orgel prächtig unterstützt wurde. Die Streicher der Sinfonietta verliehen instrumentalen Überleitungen wie Begleitungen Konturen, verschmolzen immer wieder verblüffend mit der Orgel, als seien sie eines. Der junge Organist, noch Student und schon Chorleiter der Herz-Jesu Kirche Dresden, trug kaum weniger Leuchtglanz zum »Adventsstern« bei als die beiden Solisten. Clara-Sophie Rohleders (Sopran) gefiel vor allem in lyrischen Passagen – fast ohne Vibrato –, während sie beim Forcieren leicht an Schärfe gewann. Cornelius Uhle hatte die Baritonpartie in der Kantate kurzfristig vom erkrankten Felix Rohleder übernommen. Beiden gelang eine emphatische Ausleuchtung auch der Erzählerpassagen vor den Arien.

4. Dezember 2023, Wolfram Quellmalz

Für das kommende Jahr gibt die Singakademie einen Ausblick mit einer Fassung von Franz Schuberts »Winterreise« mit Chor und Tänzern (März) sowie dem Programmtitel »Furchtlos?« im April. Mehr unter:

https://singakademie-dresden.de/

https://komponistenklasse.de/

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