Weihnachtsliederabend des Kreuzchores
Der Weihnachtsliederabend des Dresdner Kreuzchores in der Kreuzkirche ist für viele einer der Konzerthöhepunkte in der Adventszeit – zu Recht! Verspricht er doch nicht allein »alte Lieder«, sondern eine Verankerung der Tradition in unserer Zeit. Und der Chor ist nicht nur hinsichtlich seiner Homogenität und der aus ihm hervortretenden Solisten (von den jüngsten bis zu den erfahrenen) derzeit in einer umwerfenden Verfassung. Am Wochenende waren beide Aufführungen ausverkauft.
Die Vielfalt des Programms zeigte sich in der Folge der Titel ebenso wie in der lebendigen Präsentation. Das Capell Brass Quintett sorgte für eine geschmeidige Begleitung, wo der Kreuzchor nicht a cappella sang, hatte aber auch eigene Stücke. Den Einzug begleitete Kreuzorganist Holger Gehring mit Alexandre Guilmants Marche sur Georg Friedrich Händels »Hoch tut euch auf!«. Es durfte also ein wenig festlicher, zeremonieller werden als sonst, was nicht heißt, daß man sich bis Weihnachten nicht noch steigern könnte.

Überhaupt gefiel die Geschlossenheit, wobei Kreuzkantor Martin Lehmann nicht Wert auf den Effekt gelegt hatte, keinen übermäßigen Pomp betrieb, sondern mit seinem Chor als Vermittler auftrat. Zu den wirkungsvollsten Höhepunkten gehörten sicherlich drei Titel, für die sich ein Teil der Kruzianer seitlich im Schiff oder im Quartett an den Ecken aufstellte. Sie waren nicht allein ein Gegenüber des großen Chores, sondern umschlossen die Gemeinde. Nicht immer müssen Millionen umschlungen werden – die Besucher einer Kirche genügen, um ein Gefühl von Identität, Gemeinsamkeit zu vermitteln. Gleichzeitig verdeutlichten gerade hier die alten, überlieferten Titel im Satz lebender Komponisten, »Macht hoch die Tür« von 1704 im Satz von Rainer Selle am Beginn des Abends oder »Oh du fröhliche« (18. Jahrhundert, im Satz von Ekkehard Nickel) am Programmschluß, eine über Generationen bestehende Brücke. Die im Raum verteilten Knaben sangen eine zweite Stimme, die teils nicht alle Verse enthielt, einzelne Worte daher besonders betonte. Das aus dem 15. Jahrhundert stammende »Quempas« im Satz von Michael Praetorius (Bearbeitung: Rudolf Mauersberger) mit den Knabenquartetten ringsum war das aufführungsdramatisch vielleicht gelungenste Stück. Und gleichzeitig eine Gelegenheit, den Kreuzkantor einmal näher (da er sich umwenden mußte) in seinem Dirigat zu erleben. Dafür boten auch jene Lieder, die das Publikum mitsingen durfte, weitere Vertiefungsmöglichkeiten (außer zu Beginn und am Ende noch Nikolaus Hermans »Lobt Gott, ihr Christen alle gleich«).
Beinahe zwei Stunden vergingen wie im Fluge, nicht zuletzt, weil die Komposition des Abends stimmte. Kreuzchor, Capell Brass Quintett und Kreuzorganist hatten eigene Auftritte, meist aber ergänzten sie einander, oft in variierenden Formen über die Strophen, trafen sich spätestens, wenn die Gemeinde auch einsetzte.
Außer beim Einzug erklang die Orgel solo noch mit der Weihnachtspastorale Opus 56 von Gustav Adolf Merkel sowie später mit Christian Robert Pfretzschners Variationen über »Stille Nacht«, welche »Vom Himmel hoch, da komm‘ ich her« einschlossen. Apropos »einschlossen«: Auch Pfretzschner und Merkel, Kreuzorganisten im 19. Jahrhundert, hatten neben dem mehrfach im Programm vertretenen Rudolf Mauersberger an der Kreuzkirche gewirkt.
Das Capell Brass Quintett war in den Arrangements eng mit dem Kreuzchor verbunden, ließ seine Instrumente aber auch in instrumentalen Stücken, wie einem Rondeau von Jean Joseph Mouret oder einer Suite zu Humperdincks »Hänsel und Gretel« funkeln.
Über Mendelssohn (»Weihnachten«), ein ukrainisches Lied, Eric Whitacre (ein sagenhaft schwebendes »Lux aurumque«!) und »In dulci jubilo« erstreckte sich die Programmauswahl. Mehr als »für jeden etwas« – vielmehr etwas für jeden! Die Lieblingslieder (»Kommet, ihr Hirten« oder »Maria durch ein Dornwald ging«?) zählten sicher dazu.
10. Dezember 2023, Wolfram Quellmalz
Am kommenden Wochenende singt der Dresdner Kreuzchor an drei Abenden die Kantaten I bis III aus Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium.
https://www.kreuzkirche-dresden.de
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