Dresdner Kammerchor feiert Weihnachten in der Dresdner Annenkirche
»Zwischen den Jahren« ist mitten im Weihnachtskreis und der 28. Dezember bleibt ein guter Zeitpunkt für ein Weihnachtskonzert. (Man vergleiche nur einmal die Tage, für die Johann Sebastian Bach die Kantaten des Weihnachtsoratoriums schrieb.) Beim Dresdner Kammerchor gehört die Aufführung von Heinrich Schütz‘ Weihnachtshistorie (SWV 435) dazu. Anders als bei Bach, dessen Werk mehrere Abende füllt oder einen extralangen bereitet, erzählte der Sagittarius das Weihnachtswunder in knapp einer dreiviertel Stunde. Das bietet Gelegenheit, sein Werk mit anderen in einem Programm zu verflechten.

Stefan Parkman, der Hans-Christoph Rademann derzeit beim Dresdner Kammerchor vertritt, entschied sich vor allem für skandinavische und englischsprachige Lieder. Was außer der Programmgestaltung zuallererst begeisterte, war, daß der Dirigent am Klang des Chores arbeitet, ohne den Kammerchor zu verändern. Mehr Volumen, mehr Kraft hatte er ihm verliehen, und doch blieb der Dresdner Kammerchor authentisch er selbst, war kein anderer geworden, schien auch nicht überzeichnet. Dazu ist er auf Englisch genausogut verständlich wie auf Schwedisch oder Latein. Präzise und klar in der Artikulation – verblüffend!
Im ersten Konzertteil erklangen überwiegend romantische und moderne Kompositionen, manche neu und ungewohnt, wie Otto Olssons einem kleinen Hymnus entsprechendes »Advent« oder Nils Landbergs »Den signade dag« (Der gesegnete Tag). Andere, wie Eric Whitacres »Lux aurumque«, sind mittlerweile zum zeitgenössischen Klassiker geworden. (Das wunderbar schwebende Lied erklang übrigens noch einmal in der Silvestervesper des Dresdner Kreuzchores.)
Oft a cappella, teils von Giljin Kirchhefer an der Jahn-Jehmlich-Orgel begleitet, war der Raumklang des Dresdner Kammerchores diesmal noch stärker als ein den Raum ausfüllender und zu Herzen gehender zu spüren. Und das vollkommen ohne Brüche, trotz mancher enormen Fallhöhe, wie nach dem von John Gardner arrangierten Gospel »Tomorrow shall be my dancing day«, das Eric Whitacre voranging. Beflügelnd wirkte auch »Bereden väg för Herran« (Bereitet den Weg dem Herrgott!) von Anders Nyberg, aus dem das »Hosianna!« vielfarbig hervorleuchtete. »In dulci jubilo« in der Fassung von Alexander Jan Öberg war der erste Einsatz für Solistin Marie Luise Werneburg, welche die Engelsstimme hell von der Empore niedersinken ließ. Der beinahe überirdische Eindruck stellte sich später, als sie (ebenfalls in der Rolle des Engels) bei Heinrich Schütz im Altarraum sang, nicht mehr so ein.
Neben »Es ist ein Ros entsprungen«, bei dem in direkter Folge die Sätze von Michael Praetorius und Jan Sandström verglichen werden konnten – der Schwede fand wie Whitacre für unsere Zeit einen beruhigenden, stillen Erzählfluß – gab es für die Gemeinde zweimal Gelegenheit zur Mitwirkung. Dabei wurde David Willcocks Version von »O come all ye faithful« (Herbei, oh ihr Gläubigen) gleichermaßen angenommen wir das traditionelle »Es ist ein Ros entsprungen«.
Für Heinrich Schütz‘ Weihnachtshistorie trat zum Kammerchor ein Instrumentalensemble um Margret Baumgartl (Violine) und Sebastian Knebel (Continuo-Orgel). Georg Poplutz übernahm ebenso sicher wie berührend den Erzählpart des Evangelisten, Martin Schicketanz (Baß) verlieh König Herodes (s)eine markante Stimme. Doch auch der Dresdner Kammerchor fand sich in kleinen Gruppen (Hirten) wunderbar solistisch zusammen. Unterstützt wurde er dabei von der virtuosen, gesanglichen Violine, für besondere Farben sorgten Gamben. Die Hirten wurden von Katja Johanning und Luise Ludewig, die mit ihren Blockflöten als prächtige Piffari auftraten, würdig ausgestattet, auch die Zinke (Friedrike Otto und Nuria Sanroma-Gabas) oder die Posaunen von Sebastian Krause und Julia Nagel machten aus der vergleichsweise kurzen Erzählung einen festlichen Moment. Der Jubel des Schlußchores stimmte mehr als nur froh – er läßt optimistisch auf den Beschluß des Weihnachtskreises und in das neue Jahr blicken. Den Dresdner Kammerchor gibt es am 9. Januar kurz nach Mitternacht im Radio (ARD-Nachtkonzert), am 27. Februar wird die Reihe ZentralVokal, die sich 2024 offenbar den Windrichtungen widmet, mit »Nord« eröffnet. Ob es frostig wird?
29. Dezember 2023, Wolfram Quellmalz