Französisch-russische Freundschaft

Gautier Capuçon und Daniil Trifonov gastierten im Dresdner Kulturpalast

Es gibt Künstlerpaarungen, die überraschen, weil die Musiker doch höchst unterschiedlich scheinen. Wie die NMB schon erlebt haben, genügt es eben nicht, wenn jeder auf seinem Instrument ein Meister oder eine Meisterin ist. Anne-Sophie Mutter, Lynn Harrell und Yefim Bronfman zum Beispiel blieben in einem von uns besuchten Konzert drei individuelle Solisten, zum dezidierten Klaviertrio wuchsen sie nicht.

Beim Cellisten Gautier Capuçon und dem Pianisten Daniil Trifonov ist es auf den ersten Blick ähnlich – nicht nur im Wesen, auch im Spiel sind sie ganz verschieden. Einfühlsam und vertieft der eine (Capuçon), ein Berserker und Arbeitstier an den Tasten der andere. Daß es dennoch gelingen, ja – glücken kann, wenn sich »zwei solche« treffen, war gestern im Dresdner Kulturpalast zu erleben. Und dies lag wohl vor allem an Gautier Capuçon, der sich mit seinem Einfühlungsvermögen auf den Pianisten einstellte. Andererseits sollte man vorsichtig sein, einem allzu klaren Rollenbild, das etwa das Klavier der Begleiter sei, zu folgen. Und Trifonovs stupende Technik ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben.

Gautier Capuçon und Daniil Trifonov gestern im Dresdner Kulturpalast, Photo: Dresdner Philharmonie, © Oliver Killig

So wie die Herkunft der beiden Spieler lag auch jene der Komponisten in Frankreich und Rußland. Claude Debussy hatte mit seiner Sonate für Violoncello und Klavier die Form im direkten Vergleich am weitesten aufgespreizt. Im Gegensatz zu Prokofjew und Rachmaninow orientierte er sich weniger an klassischen Vorgaben, noch weniger an deutschen oder österreichischen Komponisten. Seinen weiteren, offenen Blick versteht man, wenn man den Sonatenzyklus betrachtet, den Debussy eigentlich im Sinn gehabt hat: sechs Sonaten für verschiedene Instrumente. Leider konnte er nur drei vollenden, neben der Cellosonate d-Moll entstanden noch eine Violinsonate (g-Moll) sowie eine Sonate für Flöte, Viola und Harfe. Die folgenden drei, eine Sonate für Oboe, Horn und Cembalo, für Trompete, Klarinette, Fagott und Klavier sowie in Form eines Concertos für verschiedene Instrumente mit Basso continuo, blieben durch seinen vorzeitigen Tod unvollendet bzw. im Stadium des Entwurfs.

Vielleicht wäre es schöner und besser gewesen, das französische Stück in der Mitte zu placieren? Form und Verlauf sind durchaus ungewöhnlich und verlangen wohl auch von den Interpreten eine Annäherung. Diese hätte mit etwas mehr »Aufwärmzeit« möglicherweise noch besser gelingen können, andererseits war der Einstieg, geht man nach »Schweregraden«, folgerichtig.

Emphatisch, etwas vordergründig sang Gautier Capuçons Violoncello, verriet aber schon eine große emotionale Bandbreite. Noch standen sich beide Musiker mit etwas Abstand gegenüber, im Piano sollte es den Abend über so bleiben – hier konnte Daniil Trifonov den Feinheiten seines Partners nicht ganz folgen. Dagegen brillierte er nicht nur mit technischem Vermögen, sondern ebenso kaum weniger mit Gestaltungssinn. Gerade das Gegenüber perkussiver Klavierpassagen und dem Pizzicato des Violoncellos gab einen Vorgeschmack.

Mit Sergei Prokofjews Sonate für Violoncello und Klavier C-Dur kam es zu einer zusätzlichen Verdichtung der Stimmen. Gautier Capuçon berührte hier nicht allein, er riß die Zuhörer mit tiefem, rauhem Ton geradezu ins bodenlose! Dieser Beginn war der Anfangspunkt, von dem an das Duo mit schierer Farbenpracht begeisterte, aber auch mit einem wechselvollen Verlauf. Das Moderato nahm deutlich Liedcharakter an (Daniil Trifonov hat als Liedbegleiter bereits Erfahrung gesammelt), während das Allegro des Schlußsatzes zunächst einem Intermezzo glich, dem ein äußerst kantables Finale folgte. In dieser Geschlossenheit waren sich beide einig – viele der Sätze folgten zwar nicht attacca, aber doch direkt aufeinander, das blieb auch nach der Pause so.

Im ausverkauften Saal und vor den Ohren vieler Musikerkollegen, vor allem aus der Dresdner Philharmonie (unter ihnen Solo-Cellist Ulf Prelle) sorgte die (große) Sonate für Violoncello und Klavier g-Moll von Sergei Rachmaninow für einen tief beeindruckenden zweiten Teil. Fast sinfonische Ausmaße hat das Werk, zudem eine theatrale Dramaturgie.

Melodisch mit einem Prélude (Lento) beginnend, zeugte dieses früher als die anderen beiden Werke entstandene Stück deutlich von seiner Zeit, erinnerte an große Vorgänger wie Johannes Brahms. Im zweiten Satz trat die neue Klangsprache des Komponisten deutlicher hervor. Ein wenig jener breite Sound, wie er auch das zweite Klavierkonzert kennzeichnet, kam zutage. Das folgende Andante geriet dafür um so emotionaler, bevor Cello und Klavier ein jubelndes Ende beschrieben.

Daß das Publikum mehr forderte, war eigentlich klar. Es wurden schließlich Rachmaninows Vocalise sowie – als besondere Bearbeitung – Prokofjews »Tanz der Ritter« (aus »Romeo und Julia«) mit einem extra Theaterdonner aus dem Klavier.

12. Fabruar 2024, Wolfram Quellmalz

Im Mai treffen sich die beiden Residenzkünstler der Spielzeit im Dresdner Kulturpalast: Gautier Capuçon spielt dann das Cellokonzert von Lera Auerbach.

http://www.dresdnerphilharmonie.de

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