Musikalisch glänzender Kammerabend der Sächsischen Staatskapelle
Man muß gar nicht die Liebe oder Fritz Kreisler bemühen, um die Kontraste von Freud und Leid zu erfahren. Manchmal genügt schon die Unbedachtheit einiger Neugieriger, die gern einmal ein Kammerkonzert in der Semperoper erleben wollen und damit Zugewandtheit beweisen. Doch Applaus zwischen den Sätzen kommt beim Stammpublikum einfach schlecht an, weil es die Atmosphäre zerstört. Noch schlimmer, wenn der Applaus inmitten eines Satzes aufbrandet, wie am Donnerstag zwischen den Variationen von Anton Arenskys Quartett Opus 35. Ein verärgerter Besucher machte sich Luft: »Früher hat man zwischen den Sätzen nicht geklatscht, ach war das schön!« Der Bayerische Rundfunk ließ sich einst »Klatschen im klassischen Konzert – eine kleine Entscheidungshilfe« einfallen. Die übersichtliche »Einweisung« ist via Facebook leicht zu finden, aber vielleicht sollte sie – wie vom BR empfohlen – ins Programmheft aufgenommen werden.

Denn was im Konzert geboten wurde, war schlicht vom Feinsten. Anton Arenskys ungewöhnliches Quartett mit nur einer Violine (Matthias Wollong) und zwei Celli (Friedrich Thiele und Sebastian Fritsch) ist dem Andenken an den Freund Peter Tschaikowski gewidmet. Obwohl der Komponist sonst eher selten ins Konzertprogramm findet, gehört sein Quartett (wie auch das Klaviertrio Opus 32) zu den beliebten Stücken – mancher kennt die Variationen gar besser als Tschaikowskis Lied für Kinder »Legende«, aus dem Arensky das Thema entlehnte.
Das um Bratschist Sebastian Herberg gruppierte Quartett belebte mit sinnlichem und tremolierenden Figuren von Beginn ein slawisches Melos, das bei aller Melancholie in seiner Vitalität begeisterte. Auch deshalb, weil hier trotz eindeutigem Primarius nicht einer allein führte, sondern viel direkte Kommunikation stattfand. Immer wieder traten die Soli einzelner Stimmen oder von Duetten hervor, dann wieder verschmolzen sie in einer Dichte, die über die Serenade hinausging – manchmal klang das Quartett schlicht wie ein sinfonisches Streichorchester! Wie wandelnde Erinnerungen wirkten die eingeschobenen, frohen Abschnitte, so daß noch dem Andante sostenuto ein lebhafter Charakter innewohnte.
Was für ein Unterschied war dies zum zweiten Stück! Nach Arenskys Wärme begann Dmitri Schostakowitschs Klavierquintett Opus 57 g-Moll mit klaren, harten, fast kalten Klavierakkorden. Jörg Faßmann und Lenka Matějáková (Violine), Anya Dambeck (Viola), Matthias Wilde (Violoncello) und Dariya Hrynkiv (Klavier) zeichneten darin eine Bild, das russische Landschaften vor Augen treten ließ. Wie im vielteiligen vierten Satz – war da nicht ein Wanderer zu hören, der durch ein verschneites Birkenwäldchen stapfte?
Obwohl solche Imagination nahelag, brauchte es derlei Interpretationen natürlich nicht. Viel mehr beeindruckte die musikalische Struktur mit ihrem stetigen Wandel solistischer oder sonatenartiger Passagen. Wie das Duett von erster Violine und dem im Pizzicato begleitenden Violoncello, das mit der Viola zum intimen Trio erweitert wurde, bevor das ganze Quintett wieder vereint war.
Auch im Allegretto des Finales blieb Schostakowitsch subtil und ambivalent, erneut geprägt vom Gegenüber der Stimmen (Violine und Klavier) oder Formationen (Streichquartett). Dafür gab es ganz korrekten Applaus.
9. Februar 2024, Wolfram Quellmalz