Die Sehnsucht liegt bei 430,7 Hz

Sächsisches Mozartfest in Lichtenwalde

Mit »Mozart original« kehrte das Sächsische Mozartfest am Himmelfahrtstag in die Schloßkapelle nach Lichtenwalde ein. Dort wurde es, passend zum Namen des Ortes und zum Feiertag, ungemein Licht, was nicht nur am blendenden Wetter lag, sondern nicht wenig an der Musik, in der sich das »Licht« noch in Texten wiederfand.

Sopranistin Marie Luise Werneburg, Margret Baumgartl (Violine) und Sebastian Knebel am Nachbau eines historischen Hammerflügels (Monika May nach Andreas Stein 1784) hatten ihr Programm unter den Titel »Nur, wer die Sehnsucht kennt« gestellt und wandten sich vor allem dem Dresdner Hofkomponist Johann Gottlieb Naumann zu, der zwar gegenüber Schütz oder Wagner heute in den Hintergrund gerückt scheint, als historische Person der Sächsischen Hofkapelle, (vermutlich) Schöpfer des »Dresdner Amens« in der Kreuzkirche und mit Leistungen wie seinem Beitrag zur Reformierung der Kungliga Hovkapellet (Königliche Hofkapelle)in Stockholm seine Fußspuren hinterlassen hat. Nicht nur etwas vergessen, sondern geradezu verborgen sind jedoch manche seiner Lieder. Sie waren schon damals für einen kleinen Kreis gedacht bzw. hatte Naumann erkannt, daß er damit kein großes Publikum erreichen würde (oder wollte). Seine Sammlungen tragen teils sogar Namen wie »Lieder für wenige«.

Sebastian Knebel, Marie Luise Werneburg und Margret Baumgartl in der Schloßkapelle Lichtenwalde, Photo: SMG

Insofern war die Schloßkapelle in Lichtenwalde geradezu paßgerecht für eine nicht nur intime, sondern empfindsame Musik. Denn auf genau diese, heute nicht mehr ganz so unbekannte Epoche zwischen Barock und Wiener Klassik, hatten die drei Musiker abgezielt. Zur Verfeinerung gehörte damals, auf große Effekte zu verzichten, zum Inneren vorzudringen. Insofern lag auch die Wahl eines (leiseren) Hammerflügels statt eines prächtigen Cembalos nahe.

Am Beginn stand eine Sonate für Violine und Klavier, die unter Nr. 60 ins Köchelverzeichnis eingetragen, also Mozart zugeschrieben ist. Allerdings ist die Quellenlage nicht nur unsicher, die Stilistik läßt eher einen anderen Autor vermuten. Doch ungeachtet solcher Fragen gelang es Margret Baumgartl und Sebastian Knebel schon im Adagio, mit dem matt-silbrigem Klang des Hammerklaviers und dem gold-bronzenen Ton der Violine, nicht nur das Ohr, sondern das Herz ihrer Zuhörer zu erreichen. Später folgte eine noch samtenere, edler scheinende Sonata von Johann Gottlieb Naumann, wobei Margret Baumgartl die Violine mit Dämpfer spielte.

Derart eingestimmt ließ sich den Liedern und Texten aus verschiedenen Sammlungen leicht folgen. In vier Abteilungen waren sie gebunden, teils kurze Stücke, fast Miniaturen, teils mit längerem Verlauf. Mit »An die Sonne« war gleich zu Beginn das Licht thematisch eingefangen, in anderen Liedern befragte der Autor (oder die Interpretin) sich selbst (»Wo bin ich und was bin ich«?). In der Gestaltung verlangte dies Marie Luise Werneburg viel ab, galt es doch, in feinsten Nuancen noch im Piano zu unterscheiden. Anfangs schienen daher gerade die höheren Lagen im Vergleich übermächtig oder hell. Doch spätestens in der zweiten Konzerthälfte und den längeren Stücke hatte Marie Luise Werneburg einen Ausgleich gefunden und fand mühelos kleinste Schattierungen wie für Nacht oder Tod – auch das Leiden gehörte als Gefühl zu Themen, die beschrieben werden wollten. Ebenso erstaunlich war es, wenn ein Lied (»Elegie von Hartmann«) von Hammerklavier und Violine begleitet wurde.

Eine wesentliche Frage bei solch alter Musik (aber eben nicht so »alt« wie im Barock) und geradezu eine Philosophie ist jene nach dem Stimmton a. Schließlich hat er sich nicht nur im Verlaufe der Jahrhunderte verändert, wurde mehr und mehr angehoben, auch in den Ländern oder sogar regional gab es Unterschiede. Wie denn nun ganz genau sein Hammerflügel eingerichtet sei, beantwortete Sebastian Knebel in der Pause schelmisch mit »430,7 Hz« – gestimmt hatte er ihn auf 430 Hz, aber im Verlauf »hebt« sich die Stimmung erfahrungsgemäß ein wenig.

Gehobene Stimmung gab es ebenso beim Publikum, das außerdem ein Stück aus »Sechs Claviersonaten mit der willkührlichen Begleitung einer Violine« von Christian Gottlob Neefe zu hören bekam. Die zweite Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts hatte sich feinfühlig präsentiert und gezeigt, welche reiche Entwicklung es parallel zu Mozart gegeben hatte.

10.. Mai 2024, Wolfram Quellmalz

https://mozart-sachsen.de/

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