Himmelsmusik

Dresdner Philharmonie spielte in der Frauenkirche Pēteris Vasks

Die Zeiten der »Wanderung«, während der Kulturpalast umgebaut wurde, wünscht man sich keineswegs zurück, doch darf man gerade im nachhinein die Vorteile der Vielfalt an Spielorten, besonders bei speziellen Formaten oder Programmen, als vorteilhaft sehen – das ging leider fast ganz verloren. Am Freitag jedoch war die Dresdner Philharmonie nach längerer Zeit wieder einmal in der Dresdner Frauenkirche zu Gast. Und sie brachte eine ganz besondere Musik mit, denn mit Kompositionen des Letten Pēteris Vasks, gerade seinem ersten Violinkonzert »Tālā gaisma« (Fernes Licht), hatte es schon mehrere vom Publikum geschätzte Auftritte gegeben. Auch diesmal stand mit »Vox amoris«, einer Phantasie für Violine und Streichorchester, ein gesangliches Violinwerk im Mittelpunkt.

Den Gesang der Streicher entfachten die Philharmoniker zunächst mit Franz Schrekers Intermezzo für Streichorchester. Später in einer Sinfonie aufgegangen, entfaltet das Stück mit seiner besonderen Besetzung allein eine ganz besondere Wirkung, während der Satz im Sinfonieverbund ohne Bläser eher verloren scheint.

Der Eindruck himmlischer Violinen, deren Klang sich in die Kuppel (oder eben den Himmel) erhob, sollte sich an diesem Abend zwei Tage vor Pfingsten noch mehrfach wiederholen. Zunächst wurden sie immer wieder von tiefen Bässen aufgefangen. Der Zusammenschluß der besonders hohen und besonders tiefen Töne geriet im Verlauf immer Dichter, aus dem Gegenüber entstand ein feines Gespinst, das noch im Piano belastbar blieb. Der Eindruck des nach oben Schwebens hielt an.

Die »Stimme der Liebe« von Pēteris Vasks flammte kurz im Tremolo der Streicher (noch blieben sie unter sich) auf, ging aber sogleich in einen schwebenden Hall über. Solist Wolfgang Hentrich verlieh der Stimme einen vielfarbigen, emotionalen Ausdruck. Auf der italienischen Violine formte er nicht nur Konturen fein aus, Wolfgang Hentrich hauchte der Stimme sozusagen Atem ein, denn in vielen Kadenzen und kadenzartigen Passagen gewann sie luftige, schwebende Freiheit. Und das, obwohl die Phantasie im Tutti manchmal an Sibelius erinnerte und die Soli an Bach – die Bindung oder Rückbesinnung war Stütze und nicht einengende Korsett!

Transparent schwebte »Vox amoris« in Richtung Kuppel – eigentlich kann man sich doch wohl auf eine Wiederaufführung des Werkes freuen? Für eine noch vertiefte »Betrachtung« des Komponisten Pēteris Vasks wäre es doch wieder einmal Zeit …

Wolfgang Hentrich ließ ihm zunächst eine (eigene) Phantasie über Mozarts Mailied als Zugabe folgen.

Katharina Wincor, Photo: © Andrej Grilc

Dirigentin Katharina Wincor hatte in den ersten beiden Werken vor allem für ein geordnetes Zeitmaß gesorgt und mit den Konzertmeistern der Philharmonie (Heike Janicke an diesem Abend in Funktion, Wolfgang Hentrich als führender Solist) kooperiert, mit Franz Schuberts fünfter Sinfonie B-Dur schien sie plötzlich zu erwachen, nun mit beiden Händen differenziert zu ordnen (zuvor meistens beidhändig synchron) und vor allem dynamische Effekte herauszuarbeiten. Lag der Beginn noch ganz bei Mozart, wandelte sich das Allegro recht bald und schloß sich den nach oben schwebenden Stücken des Abends gewissermaßen an. Das Andante con moto schien zunächst massig, die Flöte (Marianna Julia Zolnacz) mußte sich nicht mit Kraft, aber Durchdringlichkeit dagegenstemmen. Im folgenden Mittelteil zeigte sich, daß dies wohl so beabsichtig war, denn der schlankere, zartere Korpus stach im Kontrast deutlich ab – etwas weniger hätte anfangs aber doch genügt, ohne diesen Kontrast zu verlieren.

Am Menuett – es schien einfach alles zu schweben in diesem Konzert, aber ohne seine Konkretheit zu verlieren – hätte Joseph Haydn wohl seine Freude gehabt. Die zu Schuberts Zeiten eigentlich längst überkommene Form führte Katharina Wincor noch einmal aufgefrischt und jugendlich vor. Von dieser Frische profitierte auch das abschließende Allegro vivace. Nachdem die Bläser in der ersten Konzerthälfte besetzungsbedingt (von den Komponisten vernachlässigt) das Nachsehen gehabt hatten, durften sie nun mächtig brausen und weit über vereinzelte Soli den sinfonischen Klang formen.

18. Mai 2024, Wolfram Quellmalz

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