Jeanine De Bique und Concerto Köln in der Dresdner Frauenkirche
Die Dresdner Musikfestspiele (DMF) luden am Mittwochabend in die Frauenkirche, wo Jeanine De Bique und Concerto Köln ihr Programm »Mirrors« vorstellten. Es spiegelt bekannte Texte oder Texte zu bekannten Werken in der Musik Georg Friedrich Händels und seiner Zeitgenossen. Schön für Fans: das Ganze ist bereits auf CD erschienen. Allerdings fehlt solchen Aufführungen im Konzert manchmal die Spontanität und Tiefe.

Die aus Trinidad stammende Sopranistin begann nach ihrem Studium in Manhattan eine atemberaubende Karriere, die sie bereits nach Paris, Berlin oder Barcelona brachte – und nun zum ersten Mal nach Dresden. Temperamentvolle, veristische Bühnenfiguren scheinen Jeanine De Bique besonders zu liegen. Einiges davon übertrug sie auf Carl Heinrich Grauns Rodelinda (aus »Rodelinda, regina de‘ Longobardi« GraunWV B:I:6) oder die Agrippina Georg Philipp Telemanns (aus »Germanicus«). Allerdings hatte manches bis hin zum glitzernden Kleid und dem mehrfachen Verweis auf die CD auch ein wenig Showcharakter. Immer wieder wandte sich Jeanine De Bique zum Orchester oder – vor allem im zweiten Teil – ans Publikum. Das unterstrich teilweise den mitreißenden Anspruch; den verkörperten Figuren in der Konzertfolge nahezukommen, war dagegen schwierig.
Vielleicht auch, weil die Stimmen von Jeanine De Bique so unterschiedlich sind. Sie kann kehlig klingen und fast durchdringend scharf – vor allem zu Beginn schien sie weniger die Figuren zu kultivieren als den Stimmcharakter in verschiedenen Lagen zu probieren. Doch schon früh hatte sich ein feines, bruchloses Piano gezeigt. Es sollte im Verlauf, in dem die Sopranistin mehr und mehr Sicherheit gewann, ein wesentliches Gestaltungszentrum bleiben.
Ein Vorteil der gemeinsamen CD-Produktion und Tournée liegt definitiv in der innigen Verbundenheit von Orchester und Sopranistin, in der genauen Kenntnis, was jeder zu zeigen vermag und in dem Vertrauen, das daraus wächst. Insofern war auch die kurze Vorstellung des Ensembles durch Jeanine De Bique nach der Pause herzlich. Cellist Alexander Scherf durfte stellvertretend übersetzen und kurz erklären, warum das Konzert zur Reihe Originalklang bei den DMF zählte: Concerto Köln spielt auf alten Instrumenten, die Streicher benutzen Saiten, die in der Regel aus Schafdarm gewonnen werden – »nichts für Vegetarier«, wie Scherf anmerkte.
Damit erreichte Concerto Köln eine außerordentliche Leistung. Die Streicher um Konzertmeister Evgeny Sviridov sorgten für weit mehr als nur einen »Rahmen«, sondern zeichneten unter anderem die Sinfonia zu »Partenope« von Leonardo Vinci luftig aus, waren als Duettpartner (Violine, Oboe / Susanne Regel, Fagott / Rebekka Mertens) auf Sopranhöhe oder folgten ihm gediegen nach, wie in der klagenden Arie der Cleopatra aus »Giulio Cesare in Egitto« (»Se pieta di me non senti« / »Hast du kein Erbarmen mit mir«, Händel, HWV 17), der ein zürnendes Rezitativ vorangegangen war (»Che sento?« / »Was höre ich?«). Auch das Cembalo (Wiebke Weidanz) schimmerte mal sanft durch oder trat silbrig perlenden hervor.
Beeindruckend war die stimmliche Bandbreite, die Jeanine De Bique im Verlauf aufzubieten vermochte, allerdings häufig mit einem deutlichen Defizit der Verständlichkeit. Händel erwies sich dabei in der Tat als Spiegelachse – seine Alcina gewann vor allem im Rezitativ »Ah! Ruggiero crudel« (Ach! Grausamer Ruggiero) durch Dunkelheit, während die folgende Arie »Ombre pallide« (Ihr bleichen Schatten, ich weiß, daß ihr mich hört) ein wenig überspannt schien.
Vor dem Finale führte Concerto Köln noch einmal seine instrumentalen Qualitäten vor und ließ ein Ballo (Orchesterstück) aus Händels »Alcina« von den Streichersolisten über die Gruppe wachsen. Warum ein für das Programm vorgesehener Titel dann als »Zugabe« erklang (Alcina-Arie aus der Oper »L’isola d’Alcina« von Riccardo Broschi), blieb zunächst unklar. Doch mit zwei echten Encores glich Jeanine De Bique dies aus. Das erste davon, »Tu del ciel« aus Händels Oratorium »Il trionfo del tempo e del disinganno« (Der Triumph der Zeit und der Erkenntnis), noch einmal mit dem wunderbaren Piano, war der vielleicht schönste Titel des Abends.
30. Mai 2024, Wolfram Quellmalz
