Vesper mit Galanterien

Trio Adeste in der Loschwitzer Kirche

Im 17. und 18. Jahrhundert, vor allem mit der Herausbildung des Rokoko, gewannen Galanterien im Leben der Menschen an Bedeutung. Man war nicht nur gebildet, man kleidete sich angemessen nach der Mode, beteiligte sich an Gesprächen, aß und trank mit Genuß und zeigte sich in all dem aufgeschlossen und bewies Geschmack – und sei es noch beim Genuß einer Tasse des aus dem Orient kommenden Coffees. Diese Aufgeschlossenheit und Neugier erfaßte natürlich auch die Musik – Jean Philippe Rameau schrieb 1735 die Oper »Les Indes galantes« (Das galante Indien), in der es Französische Ouvertüren, Ballette, großmütige Türken und vieles mehr gibt. Die musikalische Galanterie vermochte er noch in kleinster Form, also Besetzung, hervorzubringen. Sein Concerto V oder Cinquième concert aus den Pièces de clavecin en concert krönte die Vesper am Freitag in der Loschwitzer Kirche.

Zuvor gab das Trio Adeste (Adéla Drechsel / Violine, Claudia Pätzold / Cembalo und Ulla Hoffmann / Viola da gamba) jedoch zwei Kostproben der Galanterien Dieterich Buxtehudes. Wie in Rameaus Concerto, das dem Sammlungstitel nach zu den »Stücken für das Cembalo« zählt, wurde das Tasteninstrument dabei von einer Violine und einer Viola da Gamba begleitet. Also im Grunde genommen Triosonaten.

Kostümzeichnung für Rameaus Opern-Ballett »Les Indes galantes« (ca. 1735), Bildquelle: Wikipedia commons

Buxtehudes Sonata in D (BuxWV 257) wird denn ganz offiziell als Triosonate bezeichnet. In der Satzfolge allerdings liegt sie nahe der Suite und begann mit einem melancholisch gewogenen Grave, das Violine und Gambe, zwar verwandt, aber doch aus zwei verschiedenen Familienzweigen stammend, in einträchtiger Harmonie präsentierte. Das folgende Allegro wirkte hübsch erfrischend. »Galant« steht auch für unaufdringlich, will heißen, daß ein Allegro weder zu effektvoll aufbrausen sollte noch zu lang sein darf. Nach der Begrüßung in der Vesper setzte das Trio Adeste die Sonaten-Suite fort – Con discretione, so die Satzbezeichnung, galanter geht es wohl kaum! Selbst dann, wenn sich die beiden Streicherinnen hier ein wenig »duellierten«, ihre Motive einander Echo gaben. Mit dem Vivace und Adagio-Poco presto aus der Sonate, die im ganzen elf Sätze umfaßt, führten Adéla Drechsel, Ulla Hoffmann und Claudia Pätzold vor, wie sich Virtuosität bzw. kleinteilige Läufe und große, fließende Bögen in der Melodie verbinden können.

Dieterich Buxtehude muß ein aufgeschlossener Mensch gewesen sein. Zumindest in musikalischer Hinsicht belegen dies Werke wie die Trio Sonata in A (BuxWV 272), deren Ecksätze, offiziell als Allegro bezeichnet, sich an die (südeuropäische) Form der Chaconne anlehnen. Hier klang dies gleichzeitig aber sehr gesanglich (1. Satz). Das »galante Duell« der Streicher hatte der Komponist sogar noch etwas galanter herausgestellt, denn zeitweise ließen Violine und Gambe einander den Vortritt, so daß die »Schwester« für einen Moment jeweils allein mit dem Cembalo musiziert. Nach dem getragenen Adagio kehrte die zweite Chaconne die Schwesternschaft von Viola und Violine wieder hervor, wobei sie sich diesmal gegenseitig anregten und im »Bogengefecht« aufschaukelten – rein musikalisch und mit Geschmack selbstverständlich.

Das Trio Adeste hat in der Vergangenheit schon mehrfach die italienische, deutsche oder französische Zier erforscht. In der Musik umfaßt dies ganz konkrete Arten (nicht nur Moden) der Verzierung und Ornamentik. Schon die Notation zu entschlüsseln, verlangt ausreichende Kennerschaft! Und so konnte sich auch Jean Philippe Rameaus Cinquième concert angemessen und mit Geschmack entfalten. Der Komponist hatte in seinem Werk drei Persönlichkeiten der Musik gehuldigt, welche (wohl wegen des französischen Artikels für den musikalischen Satz) auch dann mit einem femininem »la« bezeichnet werden, wenn es sich dabei um einen Mann handelte. Bei »La Cupis« paßte es allerdings so oder so, denn es meinte die Ballerina Marie Camargo (eigentlich Marie Anne Cupis des Camargo), während »La Marais«, ebenso ein Rondement bzw. Rondeau, den Gambisten Marin Marais darstellte. Er hätte wie ein Engel gespielt, sagte man in Paris, während Antoine Forqueray, dem ebenso ein Satz gewidmet ist, mit dem Teufel verglichen wurde – in der Vesper, an sich als kurze Andacht konzipiert, erklang dieser aber nicht.

Die Harmonie war bei Rameau zu einem Einklang geführt, in dem das Trio Adeste tänzerische Elemente ebenso fein herausarbeitete, wie es Variationen bzw. Verwandlungen der Figuren darstellte.

20. Juli 2024, Wolfram Quellmalz

Die in Kooperation mit dem Hofmusik Dresden e. V. veranstalteten Vespern in der Loschwitzer Kirche finden alle zwei Wochen freitags, 18:00 Uhr, statt. Am 2. August sind Katrin Meingast (Barockcello) und Judit Izsak (Cembalo) zu Gast, zwei Wochen später musizieren Barbara Christina Steude und Gretel Wittenburg (Sopran) mit Kantor Tobias Braun (Orgel).

Spendenaufruf für die Kirche Großröhrsdorf und aktuelle Informationen:

https://www.kirche-grossroehrsdorf.de/

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