Orgelsommer mit Andrej Naumovich
Im Orgelsommer, der seit Ferienbeginn die Kreuzvespern in der Dresdner Kreuzkirche ersetzt, präsentieren Organisten mitunter spezielle Programme. Andrej Naumovich (Bad Gandersheim) bot am vergangenen Sonnabend vor zahlreichem Publikum ausschließlich französische Werke – eine große Vielfalt, die aber aus zeitlicher und regionaler Nähe entsprang. Denn die Lebensdaten der fünf Komponisten umfaßten gerade einmal die Jahre zwischen 1837 und 1952, ihre Geburtsorte lagen zumeist im Nordosten Frankreichs.
Sechs Werke in 45 Minuten – ungeheuer kompakt war diese Vielfalt, trotzdem schien sie nicht so geschlossen oder dramaturgisch verwoben wie manches andere Orgelkonzert. Mit Théodore Dubois, in Rosnay (Département Marne) geboren, gehörte ein Jubilar (100. Todestag) dazu. Sein Prélude et fugue aus den »Douze pièces nouvelle« schien wie eine doppelte Übertragung: von Johann Sebastian Bach hatte sich die Form in der Zeit und nach Frankreich hin gewandelt. Der mild verflochtenen Fuge war ein Präludium vorausgegangen, das sich zunächst französisch schimmernd, allmählich erhob und die Konturräder schärfte.

Paul Pierné (150. Geburtstag) aus Metz (Département Moselle) war mit seinem Prière (Gebet) schon mehrfach Gast beim Dresdner Orgelzyklus. Das Werk beeindruckte erneut mit seiner Struktur, einem fugierten Chor gleich, der kontrapunktisch wachsen und schrumpfen konnte.
Im Vergleich schien der Grand Choeur Opus 52, No. 2 von Alexandre Guilmant (aus Boulogne-sur-Mer / Département Pas-de-Calais), nun wirklich ein instrumentaler »Chor«, ungemein Helligkeit zu verströmen – vielleicht das Licht des Atlantikstrandes an der nordfranzösischen Küste?
Mit Théodore Dubois, der noch einmal vertreten war, wurde das Licht sogleich gedämpft. Marcietta aus »Sept Pièces pour Orgue«, ausführlich, verhalten und schwebend scheinend, gewann dennoch nach und nach an Kraft, beeindruckte aber trotzdem mit seinem verklärten Finale.
Léon Boëllmann aus Ensisheim (Département Haut-Rhin) war vielleicht der prominenteste Name des Programms. Seine Canzona aus den »12 Pièces« Opus 16 überzeugte auch hier und versicherte, das Schimmer allein oder schimmernde Farben noch keine französischen Stil ausmachen – die Anmut seines »Liedes« war viel beeindruckender!
Mit Eugène Gigout wandte sich Andrej Naumovich noch einmal einem Komponisten aus der Region Nord-est zu. Genauer gesagt der Region Grand Est, wo Gigout geboren war (Nancy). Seine Rhapsodie sur des Airs Catalans verband verschiedene Stile, schien im Aufbau und Ansatz den Präludien nahe, in seiner Harmonik und Chromatik aber der Moderne und Avantgarde und überraschte in der Verbindung der rhapsodischen Teile mit Tonartwechseln.
22. Juli 2024, Wolfram Quellmalz
Am kommenden Sonnabend bietet Klaus Geitner (München) eine vergleichbare (?) Vielfalt beim Orgelsommer der Dresdner Kreuzkirche.
https://www.kreuzkirche-dresden.de/veranstaltungen
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