Internationaler Bad Schandauer Musiksommer beendet
Vierzehn Wochen lang gab es in der St. Johanniskirche Bad Schandau an jedem Freitag Musik. Chor- und Orgelmusik, Kammermusik, aber auch Akkordeon und Saxophon waren zu Gast. Daß es nicht nur ein »Musiksommer«, sondern ein »Internationaler Musiksommer« war, zeigte sich am vergangenen Freitag noch einmal mit tschechischen Musikern, gleichzeitig, wie nah sich »international« und »regional« manchmal kommen – ein Vorteil der Region. Die Stimmung unter den Besuchern war diesmal doppelt gut: Einerseits freuten sich viele, die zum Stammpublikum gehörten, über das erschwingliche Freitagsangebot, das in der Umgebung einmalig ist, andererseits waren die Aussichten wegen des Hochwassers, ob das Konzert überhaupt stattfinden könne, zu Wochenbeginn nicht gerade gut. Glücklicherweise trafen die negativsten Vorhersagen nicht ein und in der bis in die letzten Bankreihen gefüllten Kirche durfte Musik erklingen.
Das Abschlußkonzert fand in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Festival Mlada Praha 2024 statt und stellte junge Künstler vor. Nicht zuletzt stimmte dabei die Mischung aus bekannten und ungewohnten Werken.
Der erste Teil gehörte vor allem dem Violoncello von Ye-Won Cho, die seit 2023 Artist in Residence der renommierten Königin-Elisabeth-Musikkapelle (De Muziekkapel Koningin Elisabeth, Brüssel) ist. Sie bot mit dem Praeludium aus der Cello-Suite C-Dur (BWV 1009) von Johann Sebastian Bach einen feinnervigen Auftakt, dessen aufsteigende und abfallende oder gehaltenen Töne vibrierenden Lebenslinien glichen.
Die Fortsetzung galt aber nicht Bach, sondern Peter Tschaikowsky und dessen virtuosen Rokoko-Variationen. Die Rolle des Orchesters hatte – kaum weniger virtuos – Hana Louženská am Klavier übernommen. Der Cello-Ton hatte sich gegenüber Bachs Sonorität grundlegend geändert, schien mal frisch, romantisch, keck (was der Ursprungsidee Tschaikowskys, der sich an Mozarts Ton orientiert hatte) am nächsten kam, hingebungsvoll (mit kleinen Celloschluchzern), wies aber auch Rauhheiten und »Kanten« auf – die ganze Vielfalt eben, die sich in Variationen abbilden läßt. Nach der Kadenz des Violoncellos fanden beide Instrumente für eine Opernarie zusammen – wer hätte da nicht gedacht, die Originalbesetzung sei die mit Klavier?
Mit dem tschechischen Aura Quintet (Hedvika Dejdarová / Flöte, Hana Summerová / Oboe, Karolína Houdová / Klarinette, Jindřich Zýka / Horn und Jan Čurda / Fagott) gab es danach Werke zu hören, die im Konzertleben sonst eher rar sind, ebenso exklusiven war die reine Bläserbesetzung. Dabei ist Antonín (Anton) Reicha in der Musikgeschichte durchaus kein unbekannter Komponist, schon wegen seiner Bekanntschaft mit Beethoven und Haydn nicht. In Paris, wo er lange lebte, gehörten Franz Liszt, Hector Berlioz und Louis Farrenc zu seinen Schülern, um nur einige zu nennen.

Reichas Bläserquintett Es-Dur (Opus 88 Nr. 2) stimmte eine fröhliche Musik an, die ein wenig nach »Zauberflöte« klang, aber schnell eine eigene Klangsprache entwickelte, volkstümlich wurde. Vor allem Flöte und Fagott parlierten, einander gegenüber, später drängten sich das Horn und die anderen Instrumente in den Vordergrund. Im Menuetto blieb Reicha Mozart und Haydn nahe, hatte eine Opernmelodik aufgegriffen, während das Aura Quintett in den Variationen des Poco andante grazioso reihum vor Vorzüge seiner Instrumente ausspielte und das Horn nicht wenig schmettern durfte.
Dazu bekam es noch einmal Gelegenheit: Darius Milhaud schrieb weit mehr als »Le bœuf sur le toit« (Der Ochse auf dem Dach) oder »La revue de cuisine« (Die Küchenrevue). In »La cheminée du Roi René« (Der Kamin von König René) schilderte er in sieben Sätzen bzw. Charakterstücken vom Gefolge bis zur Jagd die Gesellschaft des Königs. Gegenüber Reicha trat nun eine vollkommen andere Chromatik hervor, der das Aura Quintet aber nicht weniger gewachsen war. Einerseits verschmolzen die fünf Stimmen teils sinfonisch, dann wieder traten sie in Erzählerrollen hervor. Obwohl insgesamt gut balanciert, behielten Flöte und Horn oft die Oberhand, während die Oboe etwas im Klangschatten blieb. Teils dunkel und mysteriös, aber mit einem harmonischen Ausklang, geriet »Joutes sur l’Arc« (Turnier), während die »Chasse à Valabre« (Jagd) im vorletzten Satz verständlicherweise den größten Aufruhr mit sich brachte. Mit dem gediegenen Madrigale – Nocturne gab es einen zarten Ausklang.
Kirchenmusikerin Daniela Vogel, welche die Reihe organsiert, bedankte sich am Ende für die Unterstützung ihres Teams und gab als Ausblick noch den 27. Juni 2025 bekannt, dann soll der nächste Internationaler Bad Schandauer Musiksommer beginnen. Zuvor gibt es Konzerte im Advent.
21. September 2024, Wolfram Quellmalz