Dresdner Barockorchester öffnete den Deckel eines unerschöpflichen Schatzkästleins
Das war typisch für den Dresdner Hofmusik e. V., daß er die Feier zum 30jährigen Bestehen nicht pompös beging, sondern am Freitag im Abschlußkonzert des Loschwitzer Musiksommers unterbrachte. Dabei gäbe es Grund genug für mehr als eine Laudatio, schließlich waren die 30 Jahre gekennzeichnet von einer unermüdlichen Arbeit, um mehr als die Erschließung und Aufführung der Musik des einstigen Sächsischen Hofes. Seit Jahren ist die Dresdner Hofmusik (wie der Verein griffiger zu nennen ist) Partner des Heinrich Schütz Musikfestes, brachte aber auch außerhalb dieser Tage Musiker wie das amerikanische Originalklangensemble Tempesta di mare nach Dresden. Seit Jahren bestehen die Partnerschaften mit der Cappella Sagittariana, die im Mai den Loschwitzer Musiksommer eröffnete, und dem Dresdner Barockorchester um Margret Baumgartl, die vergangene Woche den Abschluß gestalteten. Loschwitz – und hier schließt sich ein Kreis, denn die Kirche blieb nicht historisch erhalten, vor 30 Jahren erst konnte das aus der Ruine wiedererstandene Schmuckstück wiedergeweiht werden – ist mittlerweile eine Heimspielstätte der Dresdner Hofmusik, die ihrer namentlichen Bestimmung sogar einmal nähergekommen war, als der Verein wesentlich zur musikalischen Wiedererschließung der rekonstruierten Schloßkapelle beitrug.
Keine Laudatio also, aber ein kleiner Rückblick und eine Würdigung von Sebastian Knebel waren da angemessen, der das Cembalo diesmal Michaela Hasselt überließ, in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der Dresdner Hofmusik aber offizielle Gäste, Gemeinde und Musiker rückblickend, würdigend und einladend begrüßte.

Wenn ein Dresdner Barockensemble und die Dresdner Hofmusik zu einem Konzert »Verborgene Schätze« in die Loschwitzer Kirche einladen, dann kann man vermuten, daß hier Pretiosen aus dem »Schranck No. 2«, jenem gehüteten Notenbestand, der vor allem unter Johann Georg Pisendel gewachsen ist, präsentiert werden. Diesmal standen neben Georg Philipp Telemann und dem in Dresden wieder gepflegten Gottfried Heinrich Stölzel (Kantaten des Weihnachtsoratoriums und sein Passionsoratorium »Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld« wurden in den letzten Jahren aufgeführt) Werke des Bach-Cousins Johann Bernhard auf dem Programm. Dabei konnte man hörend die Formen erkunden und hinterfragen: von Johann Bernhard Bachs Ouvertüren, im Grunde mehrsätzige Suiten, die mit einem eigenen Ouvertürensatz begannen, über eine Sinfonia Telemanns (e-Moll, TWV 50:e5), deren Gattung im Grunde einen ähnlichen Ursprung wie die Ouvertüre hat, bis zu zwei Concerti. Hier wie da ließen sich interessante Rückschlüsse auf die Güte der damaligen Kapellen ziehen, denn jedes der Werke barg hohe Ansprüche an eine virtuose, kantable oder brillante Stimmführung wie an den farbenreichen Baß. Dennoch boten selbst die beiden Concerti von Gottfried Heinrich Stölzel und Georg Philipp Telemann (TWV 52.e1), beide in e-Moll, kein explizites Podium für die Solisten, in diesem Fall Julie Braná (Traversflöte) und Martin Stadler (Blockflöte), weil ihre Parts stets eng mit den Orchesterstimmen verbunden blieben. Insofern war der Austausch mit der Violine von Konzertmeisterin und Leiterin Margret Baumgartl und dem Ensemble um so schöner, weil sich wechselseitig Effekte ergaben, ohne daß die Komponisten ein explizites Echo oder dergleichen vorgesehen hatten.
Und so durften Johann Bernhard Bachs Ouvertüren allein mit Streichern mannigfaltige Gefühlslagen auszieren und in vielen Soli bereits einen konzertanten Stil einflechten. Mit Gottfried Heinrich Stölzels Concerto kamen nicht nur Traversflöte und Oboe dazu, es wurde rhythmisch beschwingter, tänzerischer. Für das Concerto von Georg Philipp Telemann übernahm Martin Stadler die Blockflöte, dazwischen wechselten die beiden Solisten ins Orchester, wofür Martin Stadler sogar noch eine Sopranino-Flöte im Gepäck hatte (Telemanns Sinfonia).
Nicht die Leuchtkraft der Stimmen allein, auch die unterschiedliche Ausführung von Betonungen, etwa in einem Stakkato, unterstrich die Gestaltungsvielfalt auf dem an sich begrenzten Raum (wenn man Zeit der Entstehung und Besetzung betrachtet).
Somit blieb neben einem herzlichen Dank an die Musikwissenschaftlerin Katrin Bemmann, die umtriebige Organisatorin der Dresdner Hofmusik, nicht zuletzt ein froher Ausblick: Christian Schmidt-Doll, einst der erste Geschäftsführer der Dresdner Hofmusik, ist heute Kulturchef der Wagner-Stätten-Pirna-Graupa. Im Jagdschloß Graupa wird das nächste Konzert des Dresdner Barockorchesters stattfinden (20. Oktober, 15:00 Uhr, »Frühbarocke Edelsteine aus Kremsier«).
28. September 2024, Wolfram Quellmalz