Vielfältiges »Amen!«

Zelenka Festival Prag – Dresden in der Annenkirche

Das von Adam Viktora und dem Ensemble Inégal ins Leben gerufene Zelenka Festival Prag – Dresden feiert in diesem Tagen sein zehnjähriges Jubiläum. Der Dirigent und Musikforscher Reinhard Goebel, der sich ebenfalls bereits um Zelenka bemühte, meint, der böhmische Kontrabassist und spätere Hofkomponist und Kirchen-Compositeur des Sächsischen Hofes würde etwa alle zwanzig Jahre neu entdeckt. Das mag anderswo zutreffen, bei Freunden der Barockmusik und besonders in Prag und Dresden gehören seine Kompositionen längst dauerhaft zum Werkekanon. Das Zelenka Festival hat sicher dazu beigetragen, wie sich überhaupt die Annenkirche, wo ja auch die Musikbrücke Prag – Dresden zu Hause ist, zu dem Zelenka-Ort in Dresden entwickelt hat.

Annenkriche Dresden, Photo: Ev.-Luth. Annen-Matthäus-Kirchgemeinde

Seit 2016 kooperiert das Zelenka Festival Prag – Dresden mit dem Dresdner Kammerchor und hatinnerhalb dieser Kooperation in den letzten beiden Jahren die Psalmi Vespertini von Jan Dismas Zelenka aufgeführt. Am Sonntag vollendete Adam Viktora den Zyklus, den er mit seinem Ensemble bereits auf CD eingespielt hat, zwei Tage nach der Festivaleröffnung in Prag mit dem dritten Teil.

Nun könnte man glauben, die Folge der für einzelne Sonntage gedachten Vespern könne einseitig wirken, schließlich wiederholten sich doch viele Texte wie das Gloria Patri (Ehre sei dem Vater) oder Sicut erat (Wie im Anfang) immer wieder. Doch unterschieden sich die bestimmten Sonn- und Feiertagen verhafteten Psalmvertonungen selbst bei gleichen Textzeilen in ihrer kompositorischen Auslegung bis hin zu a-cappella-Fassungen (oder Passagen), etwa vor den Ostertagen.

Diese Unterschiedlichkeit hätten Konzertbesucher am Sonntag allein schon an einem Wort bemessen können, dem abschließenden »Amen«, das in den meisten Psalmen verwendet wird, aber niemals gleich ausfiel. Kurz und knapp wie eine Bestätigung, lang gedehnt und fugiert oder festlich geschmückt – Zelenka bewies seinen Einfallsreichtum schon bei diesem Punkt.

Als gesungenes Wort war es beim Dresdner Kammerchor, der wie in den Vorjahren vom ehemaligen Assistenten Tobias Mäthger einstudiert worden war, und den Solisten Gabriela Eibenová (Sopran), Jaro Kirchgessner (Alt), Tobias Hunger (Tenor) und Jiři Miroslav Procházka (Baß) bestens aufgehoben, denn als Träger der Botschaft wirkten sie noch deutlich vor der instrumentalen Begleitung und Untermalung des Ensemble Inégal, welches wieder nichts zu wünschen übrigließ.

Das lag nicht zuletzt an den ausgewogenen Stimmen und der Fähigkeit zum theatralen Ausleben der Rollen (wobei sich das Trio Sopran, Tenor und Baß besonders hervortat), sondern auch an den von Zelenka dramaturgisch klug gesetzten Wechseln zwischen den Solisten, die er im Duo oder Trio vereint, mit dem Chor. So gelangen Betonungen, spannungsvolle Höhepunkte oder fulminante Steigerungen. Ohnehin kann man nur staunen, wie flexibel und wandlungsfähig der Dresdner Kammerchor immer wieder agiert, ist er doch in zahlreichen sehr unterschiedlichen Konzerten und mit vielen Dirigenten zu erleben. Letztlich bleibt er sich dabei treu und in seinem Repertoire verankert – und hält an seinem Qualitätsstandard fest.

Diese Basis erlaubt ihm nicht zuletzt gestalterische Großzügigkeit. Schon mit der ersten der Vespern (Confitebor tibi Domine, ZWV 70) wurde dies deutlich, in der sich der an diesem Abend immer wieder mit dramaturgischer Ausformung hervortretende Tobias Hunger mit den anderen Solisten abwechselte, worauf der Chor zunächst antwortete und danach den Text wie aus der Tiefe kommend aufnahm. Das Amen, hier in einer Fuge verschränkt, gehörte zu den kunstvollsten des Konzerts, im folgenden In exitu Israel (ZWV 84) fiel es dagegen knapp aus. Oft steigerten sich die Vespern bis oder mit der Schlußzeile, am jubilierendsten wohl bei Domine probasti me (ZWV 101).

Und doch bleib solcher Verlauf keineswegs linear. Zelenka erwies sich als vielseitiger Textgestalter, für den Chor ebenso wie für die Solisten, die in den Duetten Sopran / Alt und Tenor / Baß vielleicht am eindrücklichsten auftraten.

14. Oktober 2024, Wolfram Quellmalz

Das Konzert wurde am Mittwoch in Prag wiederholt, am Sonntag endet das Zelenka Festival mit einer traditionellen Messe.

Nächstes Konzert des Dresdner Kammerchores: 10. November, Annenkirche Dresden

http://www.inegal.cz/

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