Ausgefeilte, dramaturgische Romantik

Kammerchor Cantamus in der Loschwitzer Kirche

Der Kammerchor Cantamus, einst vom heutigen Kreuzkantor Martin Lehmann gegründet, wird seit 2019, also kurz vor der Pandemie, von Robert Schad geleitet. Den Einbruch in der Zeit, die gerade Chöre so ungemein bremste, hat er aber nicht nur gut überstanden, sondern ist mit berauschender Vitalität daraus hervorgegangen. Am Sonnabend war Cantamus in der Loschwitzer Kirche zu erleben (das Konzert wurde am Sonntag in der Philippuskirche Lohmen wiederholt). Angesichts von mehr als 30 Sängerinnen und Sängern konnte man sich schon fragen, ob das noch ein Kammerchor oder schon ein »richtiger« ist.

Da hilft zunächst: hinhören, wobei sich sogleich erwies, daß Dirigent und Ensemble keine Scheu haben vor expressiver Gestaltung, auch wenn dies manchmal an Grenzen stieß. In der Dynamik für den Raum fast zu groß, wie in Anton Bruckners Os justi, drangen die Soprane zuweilen etwas scharf durch, etwa beim einleitenden Locus iste von Bruckner, dem auch der Konzerttitel »A deo factus est« entnommen war. Auf der anderen Seite war vollkommen ersichtlich, daß hier nicht Übermaß waltete, sondern Robert Schad den Gestaltungsspielraum nutzte, zwischen Piano und Fortissimo also alle Grade erkannte zu einzusetzen wußte. Das minderte jeden möglichen Einwand, schon deshalb, weil solche Expressivität und Dramaturgie die Romantik vor jenem Kitsch bewahrte, der ihr (sonst stünde »romantisch« heute nicht in dieser »Ecke«) eben auch innewohnt. Nicht zuletzt erfuhr das gregorianische »Alleluia«, das »Os justi« abschließt, so eine Aufwertung.

Daher sei also dieser Gestaltungsmut ausdrücklich gelobt! Zumal hier Bruckner nicht einfach als Jubilar mehrfach auf dem Programmzettel stand, sondern in einer kurzen Einführung angemessen bedacht wurde, in der Robert Schad unter anderem darauf hinwies, daß das »Feindbild« Bruckner – Brahms schon damals von der Kritik (sic!) stilisiert war. Zwar habe es durchaus künstlerische oder stilistische Lager gegeben, die beiden Komponisten trafen sich allerdings dennoch im Wirtshaus, um sich über ihre Werke auszutauschen.

Brahms‘ Motette »Schaffe in mir, Gott« war zwischen Bruckners Gradualen ebenso eingebettet wie Felix Mendelssohns »Beati mortui«. Mit dem »Salve Regina« des zeitgenössischen Komponisten Javier Busto ergänzte Cantamus sein Programm. Zudem durften die Männer- (Mendelssohn) und Frauenstimmen (Busto) als vollwertige Teilchöre allein wirken. Bei Brahms wiederum überzeugte besonders der geschlossene Eindruck des Gesamtchores.

Als letztes Stücke hatte Robert Schad etwas Besonderes anzubieten: Anton Bruckners Te Deum. Ein Jahr vor der eigentlichen Uraufführung hatte es 1885 bereits eine gegeben, bei der das Werk nur mit Chor, zwei Klavieren und Pauken erklungen war. Sebastian Parkmann hatte eine solche Fassung neu erstellt, um dem damaligen Eindruck nahezukommen. Als Solisten wirkten Viktoria Wilson (Sopran), Anna-Maria Titze (Alt), András Adamik (Tenor) und Vincent Hoppe (Baß), die beiden Flügel hatten Michael Schütze und Katrin Klemm übernommen, die Pauken Richard Kempe.

Was eingangs bereits zur Gestaltungskraft des Chores bzw. seiner Vitalität gesagt ist, ließ sich bei diesem Te Deum noch unterstreichen! Robert Schad erweckte sozusagen die dem Texte innewohnende Dramaturgie und machte sie sinnlich erfahrbar, bereichert nicht nur durch Akzente der Pauke, sondern der Solisten, unter denen besonders András Adamiks gestalterische Kraft beeindruckte, während Chor und Klaviere einerseits die Farbigkeit unterstrichen, andererseits aber das Wechselspiel (gerade Solisten und Chor) den Verlauf anregte.

27. Oktober 2024, Wolfram Quellmalz

Das nächste Konzertprogramm (»A deo factus est«) bereitet Cantamus für März vor, im Sommer geht er damit auf Konzertreise nach Norddeutschland.

http://www.cantamus-dresden.de

CD-Tip: Johann Sebastian Bach, h-Moll-Messe, Kammerchor Cantamus Dresden, Thüringischer Akademischer Singkreis, Ensemble Ponticello, Leitung: Jörg Genslein, erschienen bei

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