Schwung für Paarlauf und Pirouetten

Stipendiatenkonzert im Rahmen der Tschechisch-Deutschen Kulturtage

Nach allen Krisen, die unseren Alltag, unser Handeln scheinbar oder tatsächlich prägten, wünschen sich die Tschechisch-Deutschen Kulturtage (TDKT) den Schwung, tschechisch Švunk, den man braucht, um sich zu befreien, weiter voranzukommen. Das Doppel »Schwung / Švunk« läßt sich nicht nur künstlerisch aufgreifen, es ist auch ganz real nachweisbar. Etwa im Bestehen der Tschechisch-Deutschen Kulturtage, die in diesem Jahr ihre 26. Auflage erlebt haben, oder in der Kooperation zwischen der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden (HfM) und der Nordböhmischen Philharmonie Teplice (NBT). Seit 2001 gibt es die Stipendien der Brücke | Most-Stiftung, 2004 fand das das erste Stipendiatenkonzert statt, seit 2011 ist die Veranstaltung regelmäßig. In den Konzerten der letzten dreizehn Jahre hatten bereits 50 (!) Stipendiatinnen und Stipendiaten der Brücke | Most-Stiftung eine Auftrittsgelegenheit.

Am Freitag war es wieder soweit: einen Tag nach dem Konzert in Teplice waren die Stipendiaten und die NBT erneut im Konzertsaal der HfM zu Gast. Für Ekkehard Klemm, den künstlerischen Leiter, der am Donnerstag noch selbst dirigiert hatte, war es gleichzeitig das letzte Stipendiatenkonzert – Anfang Dezember wird er in den Ruhestand verabschiedet. Unabhängig davon übernahmen plangemäß drei Studenten die Leitung des Dresdner Abends.

Tetiana Nikiforova (Ukraine) war mit dem Dirigat zweier Werke die erste. Stipendiat Karol Tomášek (Querflöte), der am Sonntag auch noch ein Kammerkonzert im Rahmen der Tschechisch-Deutschen Kulturtage in Radeberg spielte, hatte mit dem Flötenkonzert in d-Moll (Wq 22) von Carl Philipp Emanuel Bach keine Mühe. Doch noch mehr als die Mühelosigkeit beeindruckte die Artikulation – Karol Tomášek gelang es, sich dem Klang einer Traversflöte, wie sie zu Carl Philipp Emanuels Zeit üblich war, anzunähern. Eine weiche Phrasierung und ein feiner Ton statt blendender Brillanz gehörten dazu. Das war um so wirkungsvoller, da es Tetiana Nikiforova gelang, das Orchester auszubalancieren, an den feinen Klang anzupassen und da, wo es erforderlich war, auf einen ausgewogenen Basso continuo zu reduzieren.

Nach diesem »Ohrenschmeichler« war Bohuslav Martinůs Konzert für 2 Violinen und Orchester (H 329) eine aufregende Richtungsänderung. Die Dirigentin besaß aber den Schwung, dies zu meistern, ebenso wie die nächsten beiden Stipendiaten, Tereza Horáková und Michael Foršt, die mit ihren Violinen einen Paarlauf vollführten. Denn Martinů hat sein Konzert für die Solisten nicht dialogisch oder mit gegenüberliegenden, vielleicht abwechselnden Stimmen geschrieben, er treibt sie unaufhörlich mit expressivem Ausdruck durch einen halsbrecherischen Parcours. Ruhepausen gab es kaum, dafür kadenzartige Passagen – immer mit der Erfordernis absoluter Synchronität! Wie das gelang, war verblüffend. Das Orchester blieb unter Tetiana Nikiforovas Leitung wohlgeordnet, folgte oft den Solisten, fügte aber mit Klavier oder Pizzicati zunehmend eigene Akzente ein.

Mit einem weiteren Böhmen und einer Solistin kamen nun zwei Dirigenten zum Zuge. Antonin Dvořáks Konzert für Violoncello und Orchester h-Moll Opus 104 ist ein bedeutender Klassiker, daher wurde Stipendiatin Julia Starczewska im ersten Satz von Jurgita Česonytė (Litauen), danach von Sungjin Kim (Südkorea) begleitet. Julia Starczewska kehrte auf ihrem Instrument ähnliche Vorzüge heraus wie anfangs Karol Tomášek. Mit Vibrato reicherte sie den Klang und die emotionale des Tons an, ohne daß dieser zu dick aufgetragen schien. Denn auch bei Dvořák, der in seinem Cellokonzert mehrfach Bezug auf ein Lied nimmt, ist die Artikulation wichtig.

Julia Starczewska prägte dem Verlauf – auch dies liedgemäß – dynamische Wechsel auf, fand Betonungen und sehr schön ausklingende Piani. Jurgita Česonytė führte das Orchester recht energisch, vielleicht hätte sie noch mehr Ausgewogenheit herstellen können, die Orchesterflöte dämpfen. Sungjin Kim nutzte gerade im Adagio den Gestaltungsspielraum.

Die Tschechisch-Deutschen Kulturtage gingen am Sonntag bereits zu Ende. Die Brücke | Most-Stiftung bietet jedoch das ganze Jahr über Programme und Projekte. Am 15. Dezember gibt es wieder ein Adventskonzert in der Brücke-Villa (Blasewitz).

9. November 2024, Wolfram Quellmalz

http://www.bmst.eu

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