Trio- und andere Sonaten im Schloß Reinhardtsgrimma
Das letzte der Schloßkonzerte beendete die Reihe in Reinhardtsgrimma am Sonnabend. Zwischen (meist) Barock und Romantik waren die Programme in diesem Jahr gependelt, hatten Lieder, Quartette und Themen der Liebe berührt. Diesmal hieß es »Von wechselndem Geschmacke«. Gemeint war ein Musikgeschmack, wie er zum Beispiel am Dresdner Hof üblich war, an dem sich italienischer, französischer und deutscher Stil vermischten. Aber nicht nur dort – auch anderswo nahmen sich Komponisten, gerade wenn sie weit herumgekommen waren, der Spielarten anderer Schulen und Nationen an und probierten sich darin. Georg Philipp Telemann war ein solcher, und wenn in der Familie Bach über dessen Musik gesprochen wurde, so nannte man das nicht »vermischten«, sondern den »Telemann’schen Stil«, wie Holger Gehring erklärte. Der Kreuzorganist (am Cembalo) gehörte neben Uta Schmidt (Blockflöten), Anne Schumann (Barockvioline) und Juliane Gilbert (Barockcello) zum Quartett, das sich in den gebotenen Stilen erging.
Sowieso verursacht ein »gemischter Geschmack« keine gemischten Gefühle. Vielmehr offenbarte sich einmal mehr die Vielseitigkeit, die eine Gattung wie die Triosonate birgt. Warum man diese – anders als der Name vermuten läßt – zu viert und nicht zu dritt spielt, erfuhr das Publikum auch: der Baß ist, kurz gesagt, auf Violoncello und Cembalo aufgeteilt. Neben dem musikalischen Gehalt ergänzten Erläuterungen zu den Werken oder zum Leben der Komponisten das Konzert ebenso anekdoten- wie wissensreich.

Über 3600 Kompositionen sind von Georg Philipp Telemann erhalten, doch statt »Vielschreiber« sollte man ihn eher den »Unermüdlichen« oder »Unerschöpflichen« nennen. Denn – das kommt noch dazu – Georg Philipp Telemann hat stets neu geschrieben, neue Ideen produziert, während selbst Johann Sebastian Bach immer wieder alte Ideen aufgriff, sich selbst »parodierte«.
Diese Vielfalt schlug sich auch in vier Triosonaten Telemanns nieder, die sozusagen die Eckpunkte der beiden Konzerthälften markierten. Jenes am Ende, in d-Moll (TWV 42:d10) bot die höchste Vitalität, doch zeigte sich, daß nicht eine Steigerung an Virtuosität oder Tempo allein ausschlaggebend ist, sondern an Themenverarbeitung, -verzierung und Rhythmik. Bei dieser letzten Triosonate hatte schon das einleitende Allegro Zugabencharakter und wäre Wert gewesen, mit Applaus bedacht zu werden! Ohnehin war die Anlage hier eine andere, folgten die übrigen drei Sonaten doch dem bekannten Satzschema langsam-schnell-langsam-schnell.
Selbst bei der Form nach gleichen oder ähnlichen Gestalt überraschte Telemanns Florilegium, das im Menuett der Triosonate a-Moll (TWV 42:a1) den Baß im Mittelteil plötzlich schweigen und Flöte und Violine ausgedehnt im Duett parlieren läßt, was ihnen einmal mehr Gelegenheit gab, sich in eleganten Verzierungen aufzuschwingen.
Uta Schmidt eroberte in den Stücken mit der Sopran- wie der Altflöte die höheren Sphären mit Vogeltrillern, während Anne Schumann die Belebung nicht nur in den vorgegebenen Noten fand, sondern ihrem Spiel Spontanität und Frische angedeihen ließ. Das Programm war neben den vier Triosonaten um eine Phantasie für Violine solo von Georg Philipp Telemann sowie zwei Sonate en trio Jacques Martin Hotteterres bereichert. Während der französische Flötist, der lange in Rom lebte (wo er die Stile vermischte), in der Alten Musik heute eine wichtige Person ist, durften die Zuhörer Joseph Marie Clément Ferdinand Dall’Abaco vermutlich neu entdecken, so wie seine Caprice bzw. sein Capriccio für Violoncello solo für Juliane Gilbert eine Entdeckung war. Dall’Abaco hatte in seinem langen Leben viele Musikzentren Europas kennengelernt und dort gewirkt, in seinem Capriccio vereinigten sich die Stimmen, die teilweise den Eindruck erweckten, daß hier zwei Instrumente spielten.
Eine gewichtige Rolle spielte das Violoncello – nun zusammen mit dem Cembalo – auch bei Jacques Martin Hotteterre. Vor allem die zweite Sonate (Opus 3 Nr. 6), beide mit der Altblockflöte besetzt, betörte vor allem mit den dunklen Seiten des Basses.
17. November 2024, Wolfram Quellmalz
Im kommenden Jahr beginnen die Schloßkonzerte in Reinhardtsgrimma am 10. Mai mit »Frühling in Schloß und Park«, dann schon ab 16:00 Uhr mit einem Schloßcafé, 17:30 Uhr Parkführung, 19:00 Uhr Konzert mit den Rosenkranzsonaten von Heinrich Ignaz Franz von Biber.
Aktuell und noch bis 22. April ist in den Räumen des Schlosses die Ausstellung »Am Feldrand« mit Malerei und Graphik von Christiane Latendorf zu sehen (Mo. bis Do. 7:30 bis 16:00 Uhr, Fr. 7:30 bis 14:00 Uhr).