Ensemble Ælbgut blickte auf Weihnachten voraus
Das Ensemble Ælbgut sorgt nicht nur überregional, auf Alte-Musik-Festen und mit CD-Aufnahmen für eine hervorgehobene Wahrnehmung, es kehrt auch immer wieder an seinen Ursprungs- und Wohnort zurück und bereitet dem Dresdner Publikum Geschenke – oder lädt ein, wie am Wochenende. Nach dem Auftakt am Freitag vor einer Woche in Röhrsdorf präsentierte das Trio mit Gasttenor sein Programm In dulci jubilo am Sonnabend vor dem 1. Advent in der Loschwitzer Kirche. Damit schenkten sie auf höchstem musikalischen Niveau einem Fakt Beachtung, der im Konzert in diesem Jahr beinahe untergegangen wäre: vor genau 500 Jahren erschienen die ersten Evangelischen Gesangbücher.
Wesentlichen Anteil an ihnen hatte Martin Luther, der mit seiner Bibelübersetzung nicht nur für Zugänglichkeit in der Sprache gesorgt hatte, sondern anregte, Liedgut zu verfassen. Ein Liedgut, was von der Gemeinde gesungen (und verstanden) werden kann. Wie erfolgreich oder nachhaltig er darin war, läßt sich bis heute an zahlreichen Stücken, die immer wieder gesungen werden, ablesen. Dabei war damals gar nicht alles neu – auch Luther und seine Zeitgenossen stützten sich auf historische Quellen, Überlieferungen oder bereits gern gesungene Stücke, fest verankerte Quellen, wofür der gregorianische Eingang von Ælbgut ein Beispiel gab. Andere Beispiele für späteres Aufgreifen, etwa durch Georg Philipp Telemann, den die Liederbücher ebenso angeregt hatten, gab es im weiteren Verlauf.
Letztlich basierte das Programm auf nur vier Weihnachtsliedern bzw. -chorälen: »Christum sollen wir oben schon«, »Ein Kindelein so löbelich«, »Gelobet seist du Jesu Christ« sowie »In dulci jubilo«. Sie erklangen in bis zu acht Fassungen abgesehen von den abschließenden, mit dem Publikum gesungenen Kirchenliedern. Johann Walther, Lucas Osiander oder Hans Leo Hassler waren ebenso vertreten wie Johann Hermann Schein und Michael Praetorius. Auch »nachgeborene Komponisten« hatten sich der Lieder wieder angenommen. Neben Telemann zählten Johann Gottfried Walther, Friedrich Erhardt Niedt, Friedrich Wilhelm Zachow und Johann Michael Bach dazu. Doch Ælbgut wäre nicht Ælbgut, wenn sie nicht noch ein wenig genauer nachschauten und -grüben. Neben den bekannten (Nach)komponisten gab es oftmals weitere, anonyme Verfasser. Dafür hatten Ælbgut aus den Beständen der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden einige der anonymen Motetten ausgesucht.
Charakteristisch ist, daß solche Motetten die ursprüngliche Choralmelodie enthielten, diese dem Text zufügten oder »über« ihm fließen ließen. Das war dann oft Sache des Soprans, also von Isabell Schicketanz, die dann über den anderen Stimmen und Instrumenten als leuchtende Verkünderin zu vernehmen war. Neben Altus Stefan Kunath und Baß Martin Schicketanz war wieder Christopher Renz dabei, dessen Tenor wegen seiner erzählerischen Qualität besonders hervorzuheben ist.
Ælbgut tritt oft als Quartett auf, jedoch haben wir sie ebenso schon à cinq erlebt – warum diesmal nicht? Waren doch eine ganze Reihe der Motetten für fünf Stimmen geschrieben. Doch des Rätsels Lösung war so einfach wie eingängig – die Choralmelodie konnte auch instrumental ausgeführt werden. Dafür waren die befreundeten Musikerinnen des Ensembles tiefsaits gewonnen worden. Alma Stolte, Mirjam-Luise Münzel und Anna Reisener ergingen sich auf der Viola da Gamba, tauschten diese aber bei Bedarf, entweder gegen eine Gambe anderer Größe bzw. Stimmhöhe (Alma Stolte) oder gegen verschiedene Blockflöten (Mirjam-Luise Münzel).
Den Basso continuo rundete Julius Lorscheider, der auch Choralbearbeitungen spielte, sehr geschmeidig am Orgelpositiv ab. Im Instrumentalquartett realisierte er mit tiefsaits zudem verschiedene Begleitungen. Einzelne Strophen bzw. Verse waren a cappella besetzt, was gegenüber den instrumentalen Fassungen oder Choralbearbeitungen für besonderen Kontrast sorgte. Als konzertantes Schmuckstück hatten die vier Georg Philipp Telemanns Concerto a-Moll (TWV 52:a1) ausgewählt. Bei der Vielfalt der vokalen Fassungen und den unterschiedlichen persönlichen Vorlieben ließ sich jedoch beim besten Willen kein Favoritenstück ausmachen – schlicht alle waren betörend!
30. November 2024, Wolfram Quellmalz
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