Philippe Herreweghe mit Haydn und Mozart bei der Sächsischen Staatskapelle
Solche Programme gab es – zumindest im Sinfoniekonzert – lange nicht. Nur Haydn und Mozart standen auf dem Programm des 4. Sinfoniekonzerts der Sächsischen Staatskapelle Dresden. In kleiner Besetzung (nur je acht Geigen) saßen sie am Sonntagmorgen im Halbkreis vor Philippe Herreweghe, der, die Notenrolle unterm Arm, bedächtig zum Pult schritt. Der Saal der Semperoper dürfte ausverkauft gewesen sein, sicher nicht nur wegen der Stücke an sich, sondern auch, weil sie im Opernhaus auch besonders gut klingen. Dazu gab es einen Solisten aus den eigenen Reihen – was will man mehr?
Schon der kurzen Adagioeinleitung von Joseph Haydns Sinfonie Nr. 86 (D-Dur / Hob. I:86) wohnte ein tänzerischer Menuett-Duktus inne, den Philippe Herreweghe das ganze Konzert über in vielen Variationen bewahrte. Er war immer wieder Ausgangspunkt für kultivierte Feuerwerke, in diesem Fall Haydns Allegro – die Pauken (Christian Langer) sollten ihren Anteil ebenso über den Vormittag behalten. Philippe Herreweghe sorgte dafür, daß dies balanciert blieb, statt in einen zwar effektvollen, aber rauschhaften Zustand überzuschwappen. Darin blieb er sich bis zu Mozarts Finalsatz treu.

Zunächst aber hatten Herreweghe, die Kapelle und Haydn offenbar einen verspäteten Schmetterling wachgeküßt – oder hatte er sich in den Vorhangfalten zum Winterschlaf niedergelassen? Ob es nun derselbe Schmetterling war, der einst (Juli 2021) schon durch Albert Roussels Balletmusik flatterte, ließ sich zunächst nicht feststellen. Immerhin konnte man wohl froh sein, daß nicht Haydns 82. Sinfonie, die auch zu den Parisern gehört, auf dem Programm stand, sie trägt den Beinamen »Der Bär«.
Die Attribute des Schmetterlings, also lebhafte Leichtigkeit und froher Farbsinn, trafen es recht gut, auch in Haydns Violoncellokonzert C-Dur (Hob. VIIb:1) mit Solist Friedrich Thiele (Konzertmeister Violoncello der Sächsischen Staatskapelle). Sein Ton erwies sich als schlank und lebendig, hielt aber ebenso Kontraste bereit, wie schon beim Einstieg in Baß-Lage. Daß Friedrich Thiele mit seinem Instrument »singen« kann, verstand sich praktisch von selbst, der Hörgewinn oder -genuß lag aber noch viel tiefer: Weil Thiele pointiert zu betonen wußte, auch die kurzen Kadenzen originell und im Haydn’schen Stil vortrug und nicht zuletzt, weil er so exzellent mit seinem Orchester verbunden war. Während der Cellist die Spannweite zwischen Baß und Obertönen differenziert zur eigenen Darstellung nutzte, spendierte ihm die Kapelle Schatten, gesangliche Gegenstimme oder ließ die Bögen zum Stakkato des Solisten herzhaft knarzen – herrlich!

So ließ sich auch der dritte Satz in feiner Manier hören statt überbetonter Virtuosität – natürlich war sie gegeben. Doch im Gegenspiel von grazilem Gesang des Cellos und forciertem Orchester durften nun auch die Hörner glänzen. Friedrich Thieles Dank und Freude, in seiner Heimatstadt und mit seinem Orchester gespielt zu haben, die Blumen von seiner Cellogruppe zu bekommen, kam von Herzen. Die Zugabe, Bachs Courant d-Moll (BWV 1008) ebenso.
Auf eine der Pariser Sinfonien zu Beginn folgte nach der Pause die »Prager« (Nr. 38, D-Dur, KV 504) von Wolfgang Amadé Mozart, wofür Friedrich Thiele das Konzertmeisterpult von seinem Kollegen Norbert Anger übernommen hatte. Viel dramatischer, opernhafter als Haydn schlug Mozart damit den Schmetterling in die Flucht. Philippe Herreweghe hielt die Spannung in Mozarts Musik, weil er mysteriöse Untertöne feinabgestimmt hervorhob. Mit der Solooboe und bis ins Fagott erfrischte sich – darin waren Mozart und Haydn ähnlich – der erste Satz mit dem Allegro, um im Andante erneut die fast schon düsteren Untertöne an die Oberfläche zu lassen. Violinen und Flöten erhielten nicht nur einen tänzerischen Rhythmus, der Gegensatz zum Mysteriösen offenbarte gerade einen besonderen Reiz! Das Finale schließlich war völlig ungetrübt, spritzig mit Bläsern, die von den Flöten über die Oboen bis zu den Fagotten reihum im Duett hervortraten. Mit Hörnern, Trompeten und Pauken schloß das Programm damit – unter Beibehaltung der Kultiviertheit – an Haydns Feuerwerk an.
16. Dezember 2024, Wolfram Quellmalz