Holger Gehring und Partner beleuchteten in einem Orgel-plus-Konzert die Geschichte Jesu
Am Beginn der Passionszeit bot Kreuzorganist Holger Gehring im Rahmen des Dresdner Orgelzyklus‘ eine Vielfalt, mit der er sonst die Reihe Anfang Dezember abschließt. Am Mittwoch hatte er einige Partner in die Dresdner Kreuzkirche eingeladen, die ihn im Rahmen des die Orgel erweiternden »plus« unterstützten: Jennifer Riedel (Sopran), Undine Röhner-Stolle (Oboe und Englischhorn) sowie dem Ensemble VokalChoral Dresden unter der Leitung von Marcus Steven wirkten zunächst in einzelnen Stücken mit, bevor sie sich in einer Passionskanzone musikalisch vereinigten.
Im Vorgespräch des Quartetts der Solisten und Leiter ging es diesmal besonders darum, wie jeder zur Musik gekommen war. Nicht immer ist dies, etwa durch ein besonders musisches Elternhaus, vorgegeben gewesen, aber immer gab es jemanden, der die Impulse und den Willen (Talent allein genügt nicht) erkannte. Etwa den Drang zum Singen bei Jennifer Riedel, die heute neben ihren Auftritten als Solistin an einem neuen Format der Musiktheaterpädagogik mitwirkt: Als »Semperoper mobil« bringt sie Stücke in Kindergärten und Grundschulen, wo schon die Jüngsten mit der Oper in Kontakt kommen.
Für VokalChoral geht es ebenfalls um das Singen im Beruf, allerdings nicht in einem permanenten Chor in fester Besetzung. Vielmehr wird das Ensemble überwiegend aus Studenten der Hochschule für Kirchenmusik Dresden von Marcus entsprechend der Projekte zusammenstellt. Diesmal kamen sie zu neunt, mit vier Frauen- und vier Männerstimmen plus den Leiter, der sich als Baß beteiligte.
Holger Gehring eröffnete den Abend Olivier Messiaen »Jésus accepte la souffrance« (Nr. 7: Jesus nimmt das Leiden an) aus »La Nativité du Seigneur« (Die Geburt des Herrn, neun Meditationen für Orgel). Obwohl gerade 27jährig, hatte Messiaen darin bereits einen unverwechselbaren Personalstil mit einer ebenso typischen wie ungewöhnlichen Chromatik entwickelt. Auch diesmal ließen sich darin Ströme erahnen, aufsteigende Akkorde und sich verwebende Farbschichtungen.
Das Programm des Abends, »Passionsinfonie« genannt, lebte jedoch nicht von den Kontrasten der Stücke oder einer rein orgel- bzw. chorsinfonischen Hinwendung, sondern vom Bezug auf Themen zur Passion bzw. des Leben Jesu (die Geburt eingeschlossen), wobei sich in den Stücken ganz verschiedene Aspekte zeigten. Ob nun durch Gesang ausgedeutet oder weil Oboe und Orgel symbiotisch verschmolzen.
Max Reger war – unterbrochen jeweils von Orgelwerken – mit drei der Zwölf Geistlichen Lieder Opus 137 vertreten. »Oh Jesu Christ, wir warten dein« (Nr. 12), später »Uns ist geboren ein Kindelein« (Nr. 3) sowie »Klage vor Gottes Leiden« (Nr. 11) führte wieder einmal jenen Reger vor, der mit Schlichtheit und Melodieführung betören kann. Auch Kirchenlieder oder an diesen orientierte Stücke gewinnen, wenn sie von einer schönen Stimme präsentiert werden. Jennifer Riedel vermochte dies mühelos – verblüffend, wie sie Tragfähigkeit (im großen Raum der Kreuzkirche wesentlich) und Leichtigkeit zu verbinden wußte!
Vielleicht nicht verführerisch im sinnlichen Sinn, aber anregend im intellektuellen waren die Instrumentalwerke. Marcel Duprés »Nativité« (Geburt) aus der Symphonie-Passion Opus 23 konnte mit seiner Struktur faszinieren, aber auch mit Schichtung und Verläufen und überraschen, so auch im später angefügten »Crucifixion« (Kreuzigung). Wie allen Stücken des Abends lag nicht nur ein Thema zugrunde, sondern Texte, Verse. So überraschte es letztlich nicht, darin ein Lied oder einen Choral, etwa »Adeste fideles« zu entdecken. Ebenso gab Max Regers »Passion« aus den Sieben Stücken Opus 145 seine Choralbasis zu erkennen.

Nach Dauer und Anlage war Sigfrid Karg-Elerts Passionskanzone »Die Grablegung Christi« das größte Werk des Abends. Die Erweiterung der Orgel um Holzblasinstrumente wirkte hier zwar ein wenig wie eine Bearbeitung (während sie zuvor organisch klang), entspricht aber dem Original und verbindet instrumentale mit vokalen Attributen. Undine Röhner-Stolle trat sozusagen in einer Doppelrolle auf, gab zunächst der Orgel ein Englischhorn-Echo, wahrte aber die Gesanglichkeit ihrer Stimme.
VokalChoral hatte seine Strophen zunächst im Wechsel mit dem Solosopran vorzutragen, im Schlußchor vereinigten sie sich. Im Gesang waren vor allem der wechselnde Verlauf und die expressive Darstellung noch im Rezitativ bestechend. Doch eine schlichte Botschaft wollte Sigfrid Karg-Elert seinem Publikum wohl nicht übermitteln. Schon die tremolierende Orgel hatte die Emotionalität des Themas herausgestellt. Das mit Bestimmtheit vorgetragene »Amen« klang dunkel nach.
13. März 2025, Wolfram Quellmalz
Im nächsten Konzert des Dresdner Orgelzyklus‘ präsentiert Tobias Leschke (Iserlohn) »Bachblüten« an der Silbermann-Orgel der Hofkirche.