Capella Trinitatis spielte in Waldenburg Musik des 17. Jahrhunderts
Nicht erst, seitdem Chemnitz zur Europäischen Kulturhauptstadt gewählt wurde, steht Europa bei der in Chemnitz beheimateten Sächsischen Mozartgesellschaft immer wieder im Fokus. Die Gesellschaft ist in weiten Teilen Sachsens verankert und gestaltet seit Jahren eine Konzertreihe im Schloß Waldenburg. Am Ostermontag hieß es dort mit der Capella Trinitatis »Europareise – saitenweise«.
Die Capella ist ein freies Ensemble, das seinen Ursprung in der Trinitatis-Kirche Chemnitz-Hilbersdorf hat, seine Musiker kommen aus ganz Deutschland. Die Musik zwischen 16. und 18. Jahrhundert liegt ihr besonders am Herzen. Christine Gagelmann und Helga Schmidtmayer (Violinen), Georg Zeike und Kathleen Lang (Viola da Gamba), Carsten Hundt (Violone), Andreas Düker (Lauten) und Richard Röbel (Cembalo) wandten sich am Ostermontag besonders den Klängen der ersten beiden Jahrhunderte zu.

Sebastian Schilling, Dramaturg und Netzwerker der Sächsischen Mozartgesellschaft, ließ es sich dabei nicht nehmen, neben seinen manchmal etwas wortreichen Moderationen auch die Leitung zu übernehmen. Denn zwei Sonate von Heinrich Bach, in denen das ganze Ensemble wirkte, durften den Abend eröffnen und beschließen. Darin präsentierte der Großonkel Johann Sebastians flinke und variable Tanzformen, die vor allem im abschließenden F-Dur-Werk schon ein wenig die flinken Bögen Vivaldis vorausahnen ließen.
Der Konzerttitel war im Sinne einer doppelten Reise gemeint, denn durch die Jahrzehnte und durch Europa ging es, was nicht nur nebenbei manche Zusammenhänge offenlegte. Wie Sebastian Schilling anmerkte: viele der Komponisten waren Kosmopoliten, weitgereist oder sogar an verschiedenen Höfen zu Hause. Und manches Werk oder einige Autoren galt es wiederzuentdecken. Wie den Polen Wacław z Szamotu, dessen Motette Ego sum pastor bonus im Consort der Streichinstrumente erklang. Das anonym überlieferte Capona italiana – capona de Syla führte danach nicht nach Italien, sondern (wegen der Sammlung, aus der es stammt) nach Portugal. Gleichzeitig war es einer der Berührungspunkte zwischen Ländern. Wieder standen Tanzformen, diesmal die besonders lebhaften, im Mittelpunkt. Andreas Düker konnte dabei auf der Barockgitarre seine virtuose Seite solistisch hervorkehren, während er mit der Laute im Basso continuo später für gediegene Töne sorgte.
Mit Girolamo Frescobaldi (Canzona ottava) und Salomone Rossi (Sinfonia à 5) ging es im Anschluß wirklich nach Italien, das neben der Individualität der Komponisten und ihrer Lebensläufe auch viele Schulen hatte – damals maßgebend in Europa und heute unverzichtbar für jeden, der sich in irgend einer Form mit Barockmusik auseinandersetzt. Frescobaldi stellte dabei den Violone in den solistischen Vordergrund, der gegenüber dem leicht brummigen Kontrabaß eine viel gesanglichere Baßstimme besitzt. War die Canzona ottava ohnehin kein Jota »schwer«, wurde es danach geradezu luftig, denn bei Salomone Rossi wurden zunächst alle Saiten gezupft. Die Streicher wechselten erst im Verlauf vom Pizzicato zurück, um in Variationen mit Verzierung ihre Charaktere auszuspielen.
Mit Dieterich Buxtehude (Norddeutschland), William Brade (von England dorthin gelangt) und Henry Purcell, der in seinem kurzen Leben London kaum verließ, schlug die Capella Trinitatis einen Bogen über Westen in den Norden Europas. Mit Kurzweil: da Purcell – der Legende nach – einen Freund mit überschaubaren musikalischen Fähigkeiten hatte, schrieb er ein Stück, bei dem die eine Gambe nur einen Ton immer wieder zu spielen hat. Mit der ganzen Capella gelang die Fantazia upon One Note (Phantasie über eine Note) jedoch ausgesprochen reizvoll!
Der große Bogen ließ Frankreich, eines der wichtigsten Länder, nicht aus. Georg Muffat, dort geboren, floh später aus dem Elsaß nach Ingolstadt. Weitere Stationen waren Salzburg sowie – natürlich! – Italien. Richard Röbel spielte auf dem zwar historisch gebauten, aber brandneuen Cembalo Sätze aus einer Partita in F, worin sich der typische Klang von Silberperlen mit einem französischen Farbenreichtum mischte.
Der Gambenvirtuose Marin Marais stand nicht nur für Frankreich, sondern explizit für Paris und Versailles. Die Sonnerie de Saint Geneviève du Mont-de-Paris hat den Glockenton einer Pariser Kirche in Musik gefaßt, die im beständigen Wechsel zwischen Violine und Gambe über einem ostinaten Baß pendelte – wohlklingende Perlenschnüre und vielsaitig, ob nun gestrichen, gezupft oder angeschlagen.
Ob es eine CD des Ensembles gebe, fragte ein Besucher im Anschluß. Bisher nicht, aber am 22. Mai, am Vortag des Sächsischen Mozartfestes, kann man sie wieder in der Chemnitzer Trinitatiskirche erleben.
22. April 2025, Wolfram Quellmalz
Das Sächsische Mozartfest findet vom 23. Mai bis 9. Juni statt. https://mozart-sachsen.de