Ivan Ženatý und Martin Kasík in der Musikhochschule
Ab und zu kommt die Diskussion auf, daß Dresden ein echter Kammermusiksaal fehle. Dabei muß man aber bedenken, daß es einige Säle gibt, die sich durchaus eignen oder gar eine hervorragende Kammermusikqualität aufweisen. Neben dem Kronensaal auf Schloß Albrechtsberg zählt dazu der Konzertsaal der Musikhochschule. Am vergangenen Montag konnte man das wieder erleben.
Unter dem Titel »Professoren im Konzert« präsentierten Ivan Ženatý (Violine) und Martin Kasík (Klavier) zwei Violinsonaten, doch dahinter steckte weit mehr, als die schlichte Überschrift und Anzahl der Programmpunkte vermuten lassen konnten. Wobei sich das »schlicht« nicht gegen die Professoren richtet, deren Konzerte oft aller Ohren wert sind (der Titel klingt nur ein wenig nach Musizierstunde). Ivan Ženatý, nicht nur mit einer Professur am Haus betraut, sondern selbst ein ausgezeichneter Solist mit internationaler Konzerttätigkeit, hatte dafür den Pianisten Martin Kasík eingeladen, seinerseits Professor in Prag und Artistic director des Chopin Festivals in Marienbad.

Und was heißt schon »nur« zwei Werke? Zugegeben – normalerweise stehen deren drei oder vier auf dem Programm eines Kammermusikabends, aber kaum in dieser Größe! Abgesehen davon handelt es sich bei Sergej Rachmaninows Opus 19 um eine Cellosonate, Ivan Ženatý hat jedoch seine eigene Fassung für die Violine eingerichtet und dem Werk damit ein zweites Leben, einen musikalischen Zwilling gegeben, der es an Dramatik gegenüber dem Original nicht missen läßt, aber trotzdem andere, hellere Stimmen hervorhebt. Und das nicht allein durch gesangliche Linien – anders als bei Konzerten, bei denen eine Flöte vielleicht die Violine ersetzt oder eine Oboe das Cello, änderte sich weit mehr als nur die Lage der Gesangsstimme.
Ohnehin eröffnet der an sich eher impulsive, emotionale Rachmaninow die Sonate mit einem Lento und dieses mit einer Art Fragefigur. Zwar drangen im Verlauf immer wieder liedhafte Passagen durch, doch war die Gesanglichkeit nie vordergründig, blieb ein- oder umschlossen. Klavier und Violine verwoben sich zu einer komplexen rhapsodischen Gestalt, die binnen kurzem mit eruptiven Ausbrüchen überraschte, aber stets zurückfand in neue, beruhigtere Zonen. Daß dabei alles gebunden blieb, lag vor allem in der Gediegenheit der Stimmführung begründet, den abgerundeten, fein artikulierten Klängen des Klaviers, den nobel polierten Pizzicati der Violine, ihrem edlen Klang. Gerade durch diese bruchlose Verbundenheit wuchs die Spannung, die durch Gegensätze in den Stimmen oder durch die Dramaturgie des Verlaufs gegeben war. Im Allegro mosso floß dies strömend zusammen, vereinigten sich Violine und Klavier noch inniger.
Das Werk nach der Pause war kaum weniger ungewöhnlich – Bohuslav Martinůs Sonate C-Dur (H 120), ein Original und gut zehn Jahre vor seiner offiziell ersten Sonate für Violine und Klavier (H 182) entstanden. Einerseits überraschend romantisch in der Melodieführung, andererseits freier in der Form, mit längeren, fast kadenzartigen Solopassagen, dann aber wieder komplexer in den Bezügen und Modulationen. Wenn Rachmaninow emotional scheint, klingt Martinů vermutlich intellektueller, regt mehr an wie ein Gespräch (oder ein Essay), überrascht mit flinken Wechseln und technischen Ansprüchen, ohne dabei zirzensische Virtuosität zu evozieren.
Ohnehin war bei Ivan Ženatý und Martin Kasík nichts aus- oder herausgestellt, sondern stets das Miteinander entscheidend, nicht allein in Tonalität und Tempi, sondern in einer Abgewogenheit, Ausgewogenheit (oder schlicht dem inneren Verständnis). Dieses »Professoren im Konzert« war keine Musizierstunde außerhalb der Lehrtätigkeit, sondern ein hochwertiges Erlebnis, das kühne Melodieführung in einen selbstverständlichen Erzählstrom bis zum Trauermarsch in Martinůs Allegro einband. Denn darin, dem Erzählstrom, lag wohl der gemeinsame Nenner beider Komponisten.
So füllten die beiden großangelegten Werke den Abend spielend aus, dennoch hätte sich mancher wohl noch mehr gewünscht. Ein wenig mehr, von Claude Debussy und Oskar Nedbal, gab es in zwei Zugaben.
6. Mai 2025, Wolfram Quellmalz
Im Konzertsaal der Musikhochschule gibt es regelmäßig Podien und Konzerte. Am 24. und 25. Mai findet die Reihe Beethoven – Schnittpunkte ihren Abschluß. Neben einer Beethoven-Bearbeitung und einem Mendelssohn-Lied stehen zwei Uraufführungen von Alberto Arroyo und Chengbi An auf dem Programm.