Rolando Villazón und die lautten compagney BERLIN sinnen über die Liebe
Die Kombination von Rolando Villazón und der lautten compagney BERLIN mit ihrem Leiter Wolfgang Katschner ist eine erfolgreiche. In Dresden haben sie zusammen in zwei Serien von Claudio Monteverdis »L’Orfeo« für eine ausverkaufte Semperoper gesorgt. Im Nachgang entstand daraus »viaggio dell‘anima« – eine Seelenreise mit Musik von Claudio Monteverdi und seinen Zeitgenossen. Am Sonnabend war das Programm im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele in der Frauenkirche zu erleben.
Man präsentiere Werke von Claudio Monteverdi mit Experten der Alten Musik und reichere sie mit einem emotionalen Tenor an – so simpel kann ein Erfolgsrezept sein. Es hat auch etwas für sich – Villazón ist nicht nur ein charmanter Plauderer, er reißt seine Zuhörer mit. Für Wolfgang Katschners lautten compagney gilt dasselbe – sie brauchen nur eine Padovana von Lodovico Grossi da Viadana anzustimmen, schon beginnt die Zeitreise, fühlt man sich noch weit über einhundert Jahre vor die Zeit der Frauenkirche zurückversetzt. Katschners verfügt nicht nur über Zinke, Gamben, Dulcian sowie Posaunen und andere Instrumente in alten Bauformen, sie tönen, klingen, singen, schimmern und brummen ungemein – jeder Spieler, jede Spielerin ist hier veritabler Experte oder Expertin und weiß Klangfarben zu zaubern – nicht nur der Zink kann seinen Ausdruck erheblich verändern.

Und dann kommt noch der Villazón-Effekt oben drauf – eigentlich perfekt. Aber auch ein wenig anstrengend, wenn man über zwei Stunden Dauererregung präsentiert bekommt! Ohne Zweifel ist der Startenor nach wie vor ausdrucksstark, ja leuchtkräftig, überemotional und sympathisch, ein Botschafter. An diesem Abend in Sachen Liebe. Meist als Orfeo, zwischen Amarilli, Clorida, Filli und anderen Damen (sowie einem Zephir) leidet und schmachtet Villazón – mit Grund, denn die Liebe, scheint es, ist nie glücklich, und wenn, dann nicht auf die Dauer. Ewig ist nur das verzehrende Feuer, wie in Luigi Rossis »L’Orfeo«-Fassung: »Einen verzweifelteren Ort als meine unglückliche Brust hat das ewige Feuer nicht«.

Kein Grund zum Jubeln also, aber kaum etwas läßt sich eindrucksvoller in Musik kleiden als die tragische Liebe. Rolando Villazón nimmt man dies‘ Leiden ab, das er in Koloraturen und sich immer steigernden Tremoli nicht nur singt – es bricht aus ihm hervor. Intensiv und laut, dabei kann er durchaus leiser, wie in Domenico Obizzis »Udite, udite o selve« (»Hört, hört, ihr Wälder«), das am Ende der Klage den Schmerz beruhigter hinnimmt. Überhaupt gibt es oft eine Erkenntnis, ein Sinnen über die Liebe am Schluß. Bei Claudio Monteverdi und Vincenzo Calestani ist der Sänger einsichtig (?) und besänftigt seine innere Flamme mit Wein, denn er weiß: »Wenn meine Natur sich nicht zu helfen weiß, ach!, dann werde ich zum Vulkan.«
Und doch ist das alles letztlich zu effektvoll, vokal wie instrumental, zu viel Überwältigung an einem Abend! Das ganze Programm ist aufgeladen, die Effekte dominieren das echte, innere Berührtsein. Das kann sich gar nicht einstellen, weil es zum Beispiel kaum Atempausen gibt. Viele der Titel sind bündig aneinandergereiht – das erschwert nicht nur das Nachverfolgen, es überfordert mit sich ständig ablösenden Liebesleiderzählungen. Und es verbirgt manches gefundene Gegenüber, wie bei Obizzi, der seinem »Udite, udite o selve« einen musikalischen Zwilling hinzugefügt hat: »O sospiro amoroso« (»Oh Seufzer aus Liebe«). Völlig verloren, ja verschwendet scheint die instrumentale Fassung von Heinrich Schütz‘ »Jauchzet dem Herren, alle Welt« (SWV 36), das nach Giulio Caccinis Liebesmadrigal »Amarilli, mia bella« glanzlos eine Lücke füllt. Dagegen fällt die kleine instrumentale Suite mit Ballo, Sinfonia, Ritornello und weiteren Sätzen aus Monteverdis »L’Orfeo« trefflicher aus, da sie freier ist und reihum die Solisten aufspielen läßt. Noch besser gelingt die Kombination von Tenor und Instrumenten in der Arie »Possente spirto« (»Mächtiger Geist«) aus dem gleichen Werk, in der Violine, Flöte und Harfe erst das Echo des flehenden Sängers formulieren und dann Überleitungssoli zwischen den Strophen spielen.

Vielleicht hätte dem Abend eine andere Komposition gutgetan statt zu oft auf mitreißende Effekte zu setzen. Obwohl diese »funktionieren«, wie bei Claudio Monteverdis hymnischer Toccata aus dem »L’Orfeo«. Nur zieht Wolfgang Katschner diesen Joker zu oft. Da können die Moderationen von ihm und Rolando Villazón – trotz Mikrophon schwer zu verstehen – auch nicht helfen. Also: lieber eine dritte Serie des ganzen »L’Orfeo« an der Semperoper!
1. Juli 2025, Wolfram Quellmalz