»Orgel plus« in Altkaditz in den Sommer gestartet
Das Format »Orgel plus« gibt es vielerorten. Im allgemeinen bedeutet es, daß die Orgel als Hauptakteurin um ein anderes Instrument oder eine Stimme ergänzt wird. In der Regel – das kennt man auch in der Emmauskirche Dresden-Altkaditz – wird dem musikalischen »Pluspartner« dann ebenso wie der Orgel ein Soloauftritt gewährt.
Trotz der Erfahrungen dem Format gibt es bei »Orgel plus« ungewöhnliche Kombinationen, in diesem Sommer in Kaditz gleich zweimal: zum Auftakt gestern spielte Wieland Wagner Pauken, Trommeln und andere Perkussionsinstrumente, im August kehrt er noch einmal zurück, dann mit einer Marimba und einem Vibraphon. Der erste Eindruck war so überraschend wie vielfältig. Pfarrerin Annekatrin Lattke war schon zuvor gespannt und freute sich, einmal ein Instrument, das sonst eher »dabei« ist, einmal ganz in den Mittelpunkt gerückt zu erleben.

Zu Beginn spielte KMD Sandro Weigert die Jehmlich-Orgel jedoch solo. Theophile Sterns »Grande fantaisie« sorgte im schreitenden Tempo und im Wechsel zwischen Fanfarenmotiven und Choral für einen prächtigen Einzug – im Grunde nichts anderes als ein Hochzeitsmarsch, und nicht der einzige, der sich im Programm versteckte.
Auf die Begrüßung von Florian Reißmann (FördervereinKirchenmusik – Laurentius-Dresden e. V.) folgten vier Sätze aus der Tanzsuite von Andreas Willscher, die um verschiede Schlagwerke ergänzt worden waren. In Charleston, Blues, Tango und Foxtrott trafen sich nicht nur Standard- und Lateinamerikanische (Gesellschafts)tänze, sondern auch »U-« und »E-Musik«. Durchaus mit direkten Bezügen, wie ein »Gruß« von Edvard Grieg zeigte, der zu den kleinen Überraschungen des Werkes gehörte.
Sandro Weigert und Wieland Wagner blieben beim Typus der freien Suite wie bei der ebenso freien Ergänzung bzw. Anreicherung der Orgelklänge durch Trommeln oder Pauken. Letztere kamen bei Bach zum Einsatz, als die Musiker den Choral in D (Original: »Dem wir das Heilig jetzt« aus der Kantate BWV 129 »Gelobet sei der Herr, mein Gott«) mit einem zweifachen Chor »Erschallet ihr Lieder« (aus der gleichnamigen Kantate BWV 1729) und einem dazwischengeschobenen Choralvorspiel »Nun bitten wir den Heilige Geist« (BWV 385, Orgel solo) zu einer Pasticcio-Suite banden.
Den vielleicht interessantesten Beitrag trug Wieland Wagner vor, als er Wilfried Krätzschmars Solitude III »Sérenade noir« für große Trommel spielte. Was man zuvor bereits hören konnte, durften die Besucher nun mit eigenen Augen verfolgen: eine große Trommel, klar die war ja angekündigt, aber sie kann mit verschiedenen Schlägeln unterschiedlich berührt werden. Schlägel mit kleinen, harten Köpfen, mit großen Filzkugeln, die auf das Fell treffen, oder Besen, die gedämpft schlagen und wischen (wie man sie aus dem Jazz kennt), und schließlich Hände ohne weitere Hilfsmittel. Wieland Wagner formte damit nach und nach einen leichten »Anlauf«, kleine und große Kaskaden, harte, einzelne Schläge, die fast zu Detonationen wurden, Kantenschläge, Glissandi und vieles andere mehr.
Nicht immer wurde der Klang allein auf der Bespannung erzeugt – der Rahmen der Trommel war ebenso einbezogen wie die Schlägel selbst zu Klanghölzern wurden. Und: nicht nur der Schlag formt einen Klang, konnte man hören, selbst der Nachhall war beabsichtigt und gesteuert! Wie so oft bei Wilfried Krätzschmar war nicht der Effekt das Ziel, auch nicht eine sportive Darbietung (bei anderen Schlagwerken bereits erlebte), sondern ein komplexes Gebilde, das man nicht nur hörend wahrnimmt, sondern das anregt, nicht zuletzt die Phantasie. War das noch die Trommel, die da klang, oder waren es Donner und Regen eines Gewitters draußen …?

Die »Sérenade noir« dürfte für die meisten der Anwesenden der interessanteste Teil gewesen sein. Doch der Abschluß vor dem Ausklang war kaum weniger anregend, obwohl er vom derzeit gerade viel gespielten Arvo Pärt eines der bekanntesten Stücke bereithielt: »Spiegel im Spiegel«. In dieser Besetzung konnte den zahlreichen auch in Einspielungen belegten Fassungen tatsächlich noch einmal eine neue Facette abgewonnen werden. Mehr noch: Merkte man anfangs noch, daß nicht alle der Glocken, Gongs, Klangbleche etc. exakt zur Stimmung der Orgel paßten, offenbarte sich im Verlauf der Eindruck einer Individualisierung der beiden Partner, als ob sich ein Musikstück, in diesem Fall ein kleines, ostinates und beständig moduliertes Thema, durch einen Klangraum bewegte, der seinerseits von eigenen Partikeln geschaffen wurde.
7. Juni 2025, Wolfram Quellmalz
Ein Eindruck wie geschaffen, um im Anschluß noch einmal darüber zu reden. Die fleißigen Hände der Gemeindehelfer und das umsichtige Wetter erlaubten noch ein langes Beisammensein unter Dresdens vermutlich ältester Linde.
Nächster Termin von »Orgel plus«: 25. Juli, 19:30 Uhr, Emmauskirche Dresden-Altkaditz, Lara Hölzel (Orgel) und Oliver Franz (Trompete)