Bachs (fiktive) Reise nach China

Alte Musik im Kunstgewerbemuseum Pillnitz mußte kurzfristig improvisieren

Mit dem zweiten Konzert wurde am Sonnabend die Reihe der Alten Musik im Kunstgewerbemuseum Pillnitz fortgesetzt. »Die Reise des Herrn BACH nach China – Eine fantastische musikalische Weltreise« hieß das Programm, in dem der Erzähler, Violoncellist und Kunstpfeifer Ulrich Thiem mit der chinesischen GuZheng-Spielerin Zhiyuan Luo Bachs (angebliche) Reise nach China erzählen wollte. Allerdings mußten die Künstler kurzfristigst umplanen: Zhiyuan Luo, die aktuell in Leipzig studiert, bekam zu spüren, daß man die Gültigkeit eines Personalausweises bzw. dessen Ablaufdatum – zumal eines chinesischen – nicht auf die leichte Schulter nehmen darf. Mag sein, daß Leipzig weit weg von China liegt, doch wenn Behörden bei den Eltern zu Hause vorstellig werden, wird es mit einem Mal dringlich. So mußte Zhiyuan Luo schnellstmöglich reagieren, was in diesem Fall eine Abreise in der Nacht bedeutete – ihre Pfingsttermine konnte sie nicht wahrnehmen.

Ulrich Thiem schlug sich jedoch wacker, die Geschichte trotzdem zu erzählen, auch wenn sich hier und da kleine Improvisationslücken (oder Sprünge) auftaten. Vor allem konnte er – Ulrich Thiem verfügt zumindest über einschlägige China-Erfahrungen – die fehlende GuZheng eindrucksvoll improvisieren und fügte mit seinem Kunstpfeifen dem Celloklang mehrmals besondere Klangfarben hinzu – »Pfeifen« kann so unterschiedlich ausfallen! Darin war der Musiker ungemein gewandt, der Eindruck läßt sich schwer mit etwas anderem vergleichen, auf keinen Fall mit dem, was man gemeinhin unter »Pfeifen« oder auch »Kunstpfeifen« versteht. Eher entstand der Eindruck eines unbestimmbaren, äolischen Instruments.

Dabei gehört die GuZheng im weitesten Sinne zu den Zither- bzw. Zupfinstrumenten. Ein weiterer fremder Aspekt der vorgetragenen Melodien lag in der Pentatonik, also dem auf fünf Grundtönen aufbauenden System (statt unseres mit acht Ganztonschritten). Das hat (oder hätte) auch Johann Sebastian Bach fasziniert. Denn der eigentliche Witz der Vorstellung war die erdachte Geschichte einer Reise von Johann Sebastian Bach, der von Köthen nicht nach Leipzig, sondern (zunächst?) nach China ging. Und dort verweilte er länger …

Musikalisch verband Ulrich Thiem westliche und asiatische Musik improvisierend, spielte sein eigenes, fünfsaitiges Violoncello, führte aber auch das Violoncello piccolo aus der Instrumentensammlung des Museums vor und erklärte, warum das »Umsteigen« dabei so schwierig ist. Mit seinen äolischen Imitationen band er sogar noch weitere chinesische Instrumente ein, die auf nur ein oder zwei Saiten gespielt werden, aber glissandieren können.

Etwas schwierig war es, daß die erfundenen »Fakten« nicht immer klar von den historischen zu unterscheiden waren, denn in vielem knüpfte Ulrich Thiem an Bachs realen Lebenslauf an – wo lag die Grenze? Der Flugplatz für fliegende Teppiche nahe Köthen jedoch war sicher erfunden …

9. Juni 2025, Wolfram Quellmalz

Im nächsten Konzert der Alten Musik im Kunstgewerbemuseum betreten am 6. Juli, 17:00 Uhr, Heidi Maria Taubert (Sopran) und das Ensemble 33zwo (Elisabeth Seitz / Salterio und Johanna Seitz / Barockharfe) die »Himmelsleiter«.

Buchtip: Wer einen fiktiven anderen Chinareisenden an reale Orte und zu historischen Personen begleiten will, dem sei Christoph Ransmayrs Roman »Cox oder Der Lauf der Zeit« empfohlen. Erschienen bei S. Fischer (fester Einband, Taschenbuch oder e-Book)

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